«Bier hat viel mehr Facetten als Wein.»
Zu einem feinen Essen auf dem Teller gehört das ergänzende Flüssige im Glas. Wobei dieses längst nicht mehr auf der Weinkarte stehen muss: Der grossen Biervielfalt ist es zu verdanken, dass es heutzutage zu jeder Speise auch den passenden Gerstensaft gibt. Um diesen zu finden, stehen etwa Biersommeliers oder Biersommelièren beratend zur Seite. Einer von ihnen ist Greg the Beer Coach, mit bürgerlichem Namen Gregor Völkening. Der 43-Jährige erreichte 2021 den zweiten Rang bei den Schweizer Meisterschaften der Biersommeliers. Er braut selber in der Freizeit Bier und absolvierte vor fünf Jahren die Ausbildung zum Biersommelier an der Doemens Akademie. Diese beiden Tätigkeiten seien für ihn prägend gewesen: «Durch das Brauen setzte ich mich intensiver mit dem Produkt auseinander», erinnert sich Völkening. Die Ausbildung habe ihn schliesslich sensorisch derart bereichert, dass er heute Mühe habe, «einfach so ein Bier zu trinken». Stets analysiert er das Genussmittel.
Beim Treffen in einer Zürcher Bierbar stellt Völkening sogleich ein längliches Brett mit vier kleinen Biergläsern auf den Tisch – einen sogenannten Flight. Dieser hat wenig mit Aerodynamik und viel mit Ausprobieren zu tun: Die Auswahl von verschiedenen Bieren wird parallel und in Verkostungsportionen serviert. Völkening freut sich, die ihm unbekannten Biere, die hier abwechslungsweise selber gebraut werden, zu verkosten, die Faszination fürs Genussmittel steht ihm ins Gesicht geschrieben. «Bier hat viel mehr Facetten als Wein. Letzterer besteht aus vergorenem Fruchtsaft, während Bier die Ausprägungen bitter, süss, sauer, salzig und umami haben kann», erläutert er (siehe Box).
Mehr möglich beim Dessert
Bier bietet also vielfältigere Optionen? Völkening führt seine Argumentation am Beispiel des Desserts aus, das mit Wein schwierig zu pairen sei. «Meist wird da einfach die Süsse mit einem Dessertwein verstärkt.» Beim Bier hingegen, so der Experte, könne man ausweichen, zum Beispiel auf ein belgisches Kriek-Bier, das nach Kirsche schmeckt und säuerlich ist. «Oder aber man greift zu einem Imperial oder Pastry Stout. Diese kräftigen Biere überzeugen mit ihrer Röstmalzaromatik, die sich mit Noten von Kaffee oder Schokolade zeigt», schwärmt Völkening.
Für das Pairing in einem Menü empfiehlt der Fachmann, mit leichten Bieren zu starten, dann immer schwerer und vielschichtiger zu werden. Wichtig auch: Bei einem Mehrgänger dazwischen neutralisieren. «Beim Essen macht man das mit Sorbet. Das Äquivalent in Bierform ist ein Sauerbier», erklärt Völkening. Damit werden die Geschmacksknospen komplett freigemacht, sodass mit der Komplexität wieder von vorne gestartet werden kann. Für eine würdige Präsentation eignen sich – bierstilübergreifend – Teku-Gläser.