04.05.2021

Ein Blick in die Zukunft

Text: Virginia Nolan – Foto: z.V.g.
Digitale Innovationen, individualisierte Ernährung, Geisterküchen: Diese und weitere Themen beschäftigen die Gastronomie von morgen. Zu diesem Schluss kommt ein Zukunftsworkshop des Jungunternehmens Wingwall mit Schweizer Gastronomen.
Beraten Gastronomen und andere Unternehmer in Sachen Innovation und Strategie: Andrea Luca Schärer (links) und Filip Galkovski vom Zürcher Jungunternehmen Wingwall.
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«Wer die Zukunft mitgestalten will, muss sich damit beschäftigen.»

Die Zukunft steht in den Sternen, in bewegten Zeiten erst recht. Die Ungewissheit ist allgegenwärtig, trotzdem – oder gerade deswegen – lohnt sich der Blick nach vorne. Die Pandemie hat Megatrends wie den digitalen Wandel oder Gesundheit als zentrales Lebensziel zusätzlich befeuert und Veränderungen beschleunigt. «Und sie zeigt uns auf, dass sich mit der Zukunft aktiv beschäftigen muss, wer sie mitgestalten will», sagt Filip Galkovski, Gründer von Wingwall, einem auf Innovations- und Strategieberatung spezialisierten Zürcher Jungunternehmen. Im Rahmen eines Zukunftsworkshops hat Wingwall gemeinsam mit Schweizer Gastronomen über die Welt von morgen nachgedacht und daraus mögliche Entwicklungen für die Branche abgeleitet. Das Ziel sei es gewesen, eine Diskussion ohne Scheuklappen zu führen, sagt Galkovski: «So mögen manche dieser Zukunftsszenarien durchaus überspitzt formuliert sein. Doch sollen sie den Blick auf mögliche Veränderungen zulassen und die dafür nötige Aufmerksamkeit schaffen.»

Personalisierte Ernährung wird in Zukunft eine immer wichtigere Rolle spielen, darin gehen die befragten Gastronomen mit den gängigen Food-Trend-Reports einig. Gesundheit bedeute heute nicht nur, keine Krankheit zu haben, sondern aktiv zu Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit beizutragen, sagt Galkovski: «Auch und vor allem mithilfe der passenden Ernährung.» Ganz egal, ob dieser Weg über das Ausschluss- oder Zusatzprinzip erfolge – beispielsweise, in dem der Gast Gluten meide oder eine Extraportion Protein wünsche –, Köche und ihre Crew müssten besser denn je über unterschiedliche Ernährungsformen informiert und in der Lage sein, dem Gast das Passende zu bieten. Es sei wahrscheinlich, dass digitale Hilfsmittel und Datenanalyse dabei in Zukunft eine Schlüsselrolle spielten, sagt Galkovski: «Sei es, weil solche Tools Betrieben ein effizienteres Management ihrer Kundendaten ermöglichen, oder aber schlicht deshalb, weil immer mehr Informationen über uns vorliegen, die digital erfasst und verschiedenen Stellen zugänglich gemacht werden. Wie weit wir dabei gehen wollen, ist Gegenstand gesellschaftlicher Diskussionen, wie sie aktuell etwa zum Impfpass im Gange sind.» Unabhängig davon, wie ausgeklügelt entsprechende Tools in Zukunft daherkämen, würden Gastronomen langfristig nicht umhinkommen, digitale Hilfsmittel einzusetzen. «Der Gastronom der Zukunft muss immer mehr als Logistiker agieren», sagt Galkovski, «dies erfordern die zunehmend individualisierten Wünsche der Gäste, aber auch die Foodwaste-Thematik spielt eine Rolle. Lebensmittelabfälle zu vermeiden, ist nicht nur aus betriebswirtschaftlicher Sicht ratsam, sondern eine Frage der Haltung, die von Gästen zunehmend auch eingefordert werden wird.»

Ein Phänomen, das seit der Pandemie prominent diskutiert wird, sind sogenannte Ghost Kitchens, also Geisterküchen. Das sind Produktionsküchen ohne direkten Restaurantanschluss, die im Auftrag mehrere Betriebe oder unterschiedlicher Marken kochen, und dies ausschliesslich für den Lieferservice. «Auch wenn Geisterküchen nichts Neues sind, werden sie die Zukunft der Gastronomie stärker prägen», sagt Galkovski. Denn der Delivery-Trend sei gekommen, um zu bleiben. «Trotz Wettbewerbsdruck und Konsolidierungstrend werden sich innovative Konzepte durchsetzen», so Galkovski. «In diesem Zusammenhang kommt Geisterküchen eine wichtige Rolle zu, weil sie Gastronomen ermöglichen, Einkauf und Logistik zu bündeln und Skalenvorteile zu nutzen.»

Ein weiterer Trend, dem die Digitalisierung Vorschub leistet, ist Convenience Food. «Dieses soll in Zukunft noch einfacher zugänglich sein, aber auch gesünder und hochwertiger daherkommen, beispielsweise in Form regionaler Zutaten», sagt Galkovski. Unser Leben werde zunehmend von Technologie durchdrungen – so auch in der Ausserhausverpflegung. «Es ist wahrscheinlich, dass Snack-Automaten & Co. in Zukunft durch High-Tech-Pendants ersetzt werden, die auf Knopfdruck individuelle, gesunde Zwischenmahlzeiten zubereiten», sagt Galkovski. Mit seinem Salat-Roboter habe das Jungunternehmen Chowbotics aus den USA bereits einen ersten Wurf lanciert, der sich derzeit auf dem Markt etabliere und zweifellos Nachahmer inspirieren werde. «Solche Innovationen dürften insbesondere für die Gemeinschaftsgastronomie interessant sein, auch im Hinblick auf die Steuerung der Gästefrequenz. Gerade in einem Personalrestaurant dürfte es für Entlastung sorgen, wenn Mitarbeitende ihr Mittagessen via Smartphone zusammenstellen, zahlen und zur vereinbarten Zeit beim Automaten in Empfang nehmen können», sagt Galkovski.

Ein Faktor, da ist sich Galkovski sicher, wird in der Gastronomie der nahen Zukunft wichtiger denn je: das Erlebnis. «In Zeiten, in der die Pandemie uns als soziale Wesen viele Entbehrungen aufgebürdet und unseren Radius drastisch verkleinert hat, kommt dem Restaurantbesuch eine ganz neue Bedeutung zu», sagt Galkovski. «Die Erwartungen der Gäste an das Setting steigen. Im Mittelpunkt steht nicht nur, was wir essen, sondern auch das Drumherum. Von der Raumgestaltung über die Lichtverhältnisse bis hin zu der Musikplaylist – es muss stimmen.»