«Wir mögen weniger Mitglieder haben als andere Vereine, aber wir haben überdurchschnittlich viele engagierte und innovative Leute in unseren Reihen.»
Seit Ende Mai ist es amtlich: Sie führen Slow Food Schweiz die nächsten zwei Jahre als Präsidentinnen an. Warum ist die jeweils andere genau die Richtige dafür?
Toya Bezzola: Laura bringt nicht nur enorm viel Erfahrung in der Vorstands- und Vereinsarbeit mit, sondern ist auch stark im Beruf verankert: Sie arbeitet täglich als Köchin, ist Unternehmerin und Ausbild- nerin. Das damit verbundene Know-how ist für Slow Food Schweiz ein grosser Ge- winn. Dazu kommt, dass sie mit ihrem Betrieb selbst zur Cooks’ Alliance gehört: Verbindungen von den Projekten in die Vereinsarbeit – und umgekehrt – sind wertvoll. Ausserdem repräsentiert Laura das Welschland: In einem in Regionalgruppen organisierten Verein ist das ebenfalls wichtig.
Laura Rod: Und Toya hat unfassbar viel Talent. Sie verfügt trotz ihres jungen Alters schon über viel Erfahrung mit Slow Food und Slow Food Youth, bringt frischen In- und Output. Mich faszinieren ihre Ruhe und Gelassenheit, die in unserer neuen Rolle entscheidend sein können. Sie weiss, was zu tun ist, sie sagt das auch und sie schafft es, dass die Leute auf sie hören. Toya ist eine geborene Anführerin – mit einem grossen Netzwerk in der Foodbranche und ganz viel Leidenschaft für die Sache.
Sie ergänzen sich also bestens?
Bezzola: Ja, aber nicht nur. Die Passion für die Inhalte von Slow Food, die Laura angesprochen hat, verbindet uns auch.
Wie sieht denn nun Ihre Vision für Slow Food Schweiz aus?
Rod: Die beruht auf vier Punkten, die wir verfolgen möchten. Der erste wichtige Aspekt für uns ist die Sichtbarkeit von Slow Food, die wir mithilfe einer breiten Kommunikation erhöhen wollen. Die Menschen sollen wissen, wer und was Slow Food ist. Dazu passt unser neuer Slogan: I am Slow Food. Denn die Slow-Food-Bewegung ist kein Label, sondern eine Philosophie, eine Einstellung, wir alle, die täglich essen, gehören dazu. Daran muss sich unsere Kommunikation orientieren: Die Menschen sollen übers Essen zusammenfinden. Was uns gleich zum zweiten Ansatz unserer Vision führt.
Erzählen Sie.
Bezzola: Wir möchten das Netzwerk stärken, unsere Mitglieder und Convivien. Der Gemeinschaftsgedanke war bei der Gründung der Slow-Food-Bewegung elementar, heute ist sie global und in 160 Ländern vertreten. Nach wie vor sind die direkten Verbindungen und der Dialog in den lokalen Gruppen aber sehr wichtig. Jahr für Jahr bringen die Convivien Mitglieder und Sympathisanten mit kleinen Produzentinnen zusammen, die unseren Idealen nahestehen. Sie organisieren Besichtigungen von Weinkellereien, Brauereien, Bauernhöfen oder anderen Kleinbetrieben. Wir möchten das Netzwerk, das Slow Food zu bieten hat, für unsere Mitglieder zugänglich machen, und dass die Menschen, die mehr über die Hintergründe unserer Nahrungsmittel wissen wollen, auch die Leute finden, denen sie ihre Fragen stellen können.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
Bezzola: Nehmen wir eine Schweizer Winzerin im Slow-Wine-Projekt: Sie lernt in dessen Rahmen etwa, wie Berufskollegen und -kolleginnen in Frankreich produzieren. Dieser Austausch ist wertvoll, er inspiriert und bringt alle weiter.
Aber wie fördert man ihn ganz konkret?
Bezzola: Slow Food ist eine komplexe Organisation mit vielen Gruppen. Tragendes Element sind die aktiven Mitglieder. Wir mögen weniger Mitglieder haben als andere Vereine, aber wir haben überdurchschnittlich viele engagierte und innovative Leute in unseren Reihen, die sich einbringen. Das ist ein grosses Geschenk und vermutlich die Stärke von Slow Food überhaupt. Als Vertreterinnen der nationalen Dachorganisation ist es eigentlich lediglich unsere Aufgabe, die Convivien in ihrer Arbeit mit den Mitgliedern zu unterstützen. Dafür haben Laura und ich uns vorgenommen, als Vorbilder zu agieren und eine starke Kultur des Zuhörens zu etablieren. Wir wollen wissen, was die Mitglieder von Slow Food Schweiz bewegt, wollen erfahren, was passiert.
Rod: Zu unserer Vision gehört aber als dritter Punkt auch ein nach aussen gerichteter Aspekt: das politische Engagement. Das wollen wir sanft angehen, nicht aggressiv, aufbauend auf den Punkten Kommunikation und Netzwerk.