«Mitarbeiterpflege ist der erste Schritt zu mehr Nachhaltigkeit.»
Sich Nachhaltigkeit auf die Flagge zu schreiben, ist beliebt. Nicht selten bleibt es jedoch bei einer Worthülse, einem Lippenbekenntnis aus Marketinggründen, und bei genauerem Hinsehen zeigt sich: Nachhaltigkeit leistet man sich bestenfalls als Tüpfelchen auf dem i, aber durch wenige Betriebe zieht sie sich als roter Faden. Dass das Bemühen um soziale Verantwortung oft in Augenwischerei endet, ist vermutlich weniger unlauteren Absichten als der Überzeugung geschuldet, dass nachhaltiges Wirtschaften nicht profitabel sein kann, wenn man es übertreibt. Beim Bauern einkaufen statt zum Grosshändler gehen, dem Fleischproduzenten auf die Finger schauen, fair hergestellten Produkten den Vorzug geben, statt auf die günstigere Alternative zurückzugreifen – das kostet Geld, bedeutet Zusatzaufwand. Und der, klagen viele, könne in der mittelpreisigen Gastronomie nicht auf den Gast abgewälzt werden, weil dessen Zahlungsbereitschaft zu klein sei. Ein nachhaltiges Angebot, so der Tenor, sei zu erschwinglichen Preisen kaum möglich.
Wer sich vom Gegenteil überzeugen will, nimmt sich ein Beispiel an der Gruppe KG Gastrokultur. Die Berner haben in den vergangenen Jahren eine Beiz nach der anderen eröffnet, ohne sich von den Idealen zu verabschieden, die den Gründergeist prägten. Dies in der festen Überzeugung, dass vorbildliches Wirtschaften weniger vom Geldbeutel als von guten Ideen abhängt. Und daran mangelt es den umtriebigen Gastgebern nicht. Am Anfang standen K und G, Regula Keller und Michel Gygax. 2007 gründete das Paar die KG Gastrokultur und übernahm das Restaurant Le Beizli in den Berner Vidmarhallen. Ein Jahr später kamen Marc Häni und Igor Gaic als Teilhaber und das Restaurant zum Schloss in Köniz als weiterer Betrieb hinzu. Seither hat das Quartett aus Quereinsteigern – Keller war einst Krankenschwester, Gygax Banker, Häni Büroangestellter und Gaic Physikstudent – sein Portfolio nach und nach ausgebaut. Mittlerweile gehören in der Berner Innenstadt auch das Bistrot L’esprit Nouveau in der Nationalbibliothek und das Du Nord, die Restaurants Eiger und Marzer sowie die Weinhandlung Weinerlei zu KG Gastrokultur. Mit Erfolg vereint das Unternehmen ein Potpourri an Aktivitäten: Seine Betreiber sehen sich hauptsächlich als Gastronomen, haben sich aber auch als Kulturveranstalter einen Namen gemacht.
Nachhaltigkeit steht in ihrer Philosophie ganz oben – und beginnt nicht erst beim Freilandei vom Bauern aus der Region. «Ich glaube, man muss beim Team anfangen», sagt Geschäftsführer Michel Gygax, «es sorgfältig führen und pflegen, damit die Leute gerne arbeiten. Mitarbeiterpflege ist für mich der erste Schritt zu nachhaltiger Unternehmensführung.» Man setze bewusst auf eine flache Hierarchie, um Mitarbeitern Gestaltungsmöglichkeiten zu geben, «aus demselben Grund sind wir nicht wahnsinnig überstrukturiert, was Prozesse angeht». Die Kunst liege darin, Mitarbeiter zu ermutigen, sich einzubringen, ohne sie dabei auf sich allein gestellt zu lassen: «Es ist wichtig, dass wir als Ansprechpersonen präsent sind.» Hinweise dafür, dass bei KG Gastrokultur in Sachen Personalführung einiges richtig läuft, geben die vergleichsweise geringe Fluktuation und die Tatsache, dass viele der rund 60 Angestellten seit Jahren an Bord sind.
Ausser dem Le Beizli, das Unternehmensmitgründerin Regula Keller in Eigenregie führt, stehen alle Restaurants der Gruppe in der Verantwortung angestellter Betriebsleiter. Wie auch die Küchenchefs sind sie am Gewinn des jeweiligen Restaurants mitbeteiligt. «In der Gastronomie gibt es viele tolle Leute, die viel bewegen könnten, es aus finanziellen Gründen aber nicht wagen, sich selbständig zu machen», sagt Gygax. «Ihnen bieten wir die Gelegenheit, Gastgeber und dabei relativ frei zu sein, ohne unternehmerisches Risiko eingehen zu müssen.» Auch die administrativen Fäden laufen in der Zentrale um das Gründerteam zusammen, was die einzelnen Betriebe entlastet und schlanke Strukturen ermöglicht.