13.06.2023 Salz & Pfeffer 3/2023

Ein Visionär schafft Fakten

Interview: Tobias Hüberli – Fotos: Jürg Waldmeier
Roboter werden in unserem Leben Einzug halten, sagt Thomas Holenstein. Im Interview erklärt der Innerschweizer, wieso das vielleicht gewöhnungsbedürftig, aber nicht negativ ist. Und was es für die Gastronomie bedeutet.
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«Serviceroboter vermitteln ein etwas weniger romantisches Bild der Gastronomie.»

Wie kamen Sie dazu, Serviceroboter zu verkaufen?
Thomas Holenstein: Bis zum Ausbruch der Covid-19-Pandemie vertrieben wir mit Pogastro eine Software für die Gastronomie. Kurz erklärt, kann man damit Inhalte wie etwa die Speisekarte, Events, aber auch Stellenangebote mit wenigen Klicks auf alle digitalen Kanäle eines Betriebs spielen. Als die Pandemie ausbrach, hatten zwar selbst gebastelte Onlineshops, Trennwände und Systeme für die Gästeregistrierung Hochkonjunktur, aber für unsere Art Onlinemarketing interessierten sich plötzlich zu wenige.

Also bauten Sie mal schnell ein zweites Standbein auf?
So war es. Wir überlegten uns, wie wir erstens als Firma überleben und zweitens Gastronominnen und Gastronomen helfen können. Der Fachkräftemangel zeichnete sich 2020 bereits ab. Ich realisierte, dass das Gastgewerbe bald ein Problem haben wird, einfach weil sehr viele Leute in andere Branchen abwanderten. Im Netz stiess ich dann auf die Serviceroboter. Als schweizweit erste Firma importierten wir fünf Stück. Drei davon konnten wir schnell weiterverkaufen, es bestand also definitiv ein Bedarf.

Wer leistet sich so einen Roboter?
Das ist noch interessant. Es gibt Leute, die behaupten, im höheren Segment der Gastronomie und Hotellerie kaufe das niemand. Tatsächlich haben wir aber Kundinnen und Kunden aus dem gesamten Spektrum, vom Chinarestaurant mit Take-away über gutbürgerliche Betriebe bis hin zum Fünf-Sterne-Hotel The Dolder Grand. Zurzeit verhandeln wir mit der Schweizer Armee.

Wie erklären Sie sich die Nachfrage?
Das Arbeitgeberbranding rückt heutzutage immer stärker in den Fokus. Es ist wichtig, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern möglichst viel Positives bieten zu können, damit sie auch bleiben. Serviceroboter sind ein Werkzeug, um das Personal zu entlasten, aber auch um die Effizienz zu steigern. Von Betrieben, die Serviceroboter routiniert einsetzen, hören wir, dass die Geräte innert dreier Monate amortisiert sind. Das ist erstaunlich, denn ein Stück kostet doch zwischen 20000 und 22000 Franken.

Was konkret kann so ein Roboter?
Nehmen Sie den Bellabot als Beispiel. Er ist das in der Gastronomie wohl bekannteste Gerät. Dieser Roboter bringt die Teller von der Küche in den Gastraum oder von dort zurück in die Küche. Er eignet sich für Betriebe, die eher in einem höheren Segment arbeiten. Der Bellabot geht dabei nicht direkt zu den Gästen, sondern agiert im Hintergrund, spart dem Personal lange Laufwege. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können sich dafür stärker den Gästen widmen.

Was muss ein Gastronom oder eine Gastro­nomin denn mitbringen, um einen Service­roboter einzusetzen?
Die Grundkonfiguration machen wir. Das heisst, der Gastraum wird erfasst und die Tische werden so konfiguriert, dass der Roboter weiss, wo sich was befindet. Schön ist, wenn der Wirt oder die Wirtin nicht ständig die Tischanordnung ändert, wobei das schon auch geht. Wir erstellen einfach verschiedene digitale Tischpläne, die man je nach Bedarf auswählen kann. Das Service- oder Küchenpersonal tippt dann lediglich auf dem Display noch ein, wohin der Roboter fahren soll.

Sie sagen, Serviceroboter hätten viele posi­tive Aspekte. Gibt es auch Nachteile?
Mit gewissen Sachen muss man umgehen. Etwa wenn Gäste sagen, damit würden Arbeitsplätze vernichtet. Ich sehe das nicht so, weil die Stellen aktuell sowieso nicht besetzt werden können. Dann brauchen Serviceroboter Strom und vermitteln ein vielleicht etwas weniger romantisches Bild der Gastronomie. Aber die Dinge wandeln sich. Und es ist auch schön zu sehen, wenn Gäste realisieren, dass sich so ein Roboter positiv auf das Personal auswirkt, es so mehr Zeit für die Kundschaft hat und vielleicht auch noch den einen oder anderen Zusatzverkauf realisieren kann.

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Haben Gäste ein Problem damit, von einem Roboter bedient zu werden?
Das Bedientwerden muss man vielleicht etwas differenziert betrachten. Restaurants, in denen Roboter den Service von A bis Z übernehmen, sehe ich nicht so plastisch. Das funktioniert eher im asiatischen Raum. Wir empfehlen, die Geräte effizient einzusetzen, aber immer noch auf den Faktor Mensch achtzugeben.

Serviceroboter würden immer schlauer, sagen Sie. Was meinen Sie damit?
Die erste Generation hatte eine Spracherkennung, die noch nicht so ausgereift war. Künftig, vor allem mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz, die in den neuen Modellen bald eine Rolle spielt, wird sich das massiv verbessern. Und zwar dahingehend, dass man sich bald einmal fragen wird, ob der Roboter ein eigenes Innenleben hat. Wir nutzen die Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz schon jetzt für unser tägliches Schaffen. Ich bin selbst verblüfft, was alles möglich ist. Sicher ist: Das Geschäftsfeld der Robotics befindet sich noch in den Anfängen.

Welche Art von Roboter verkauft sich eigent­lich am besten?
In der Gastronomie sind es die Hol- und Bringroboter. Sie sind multifunktional einsetzbar. Neu hinzugekommen sind die Reinigungsroboter. Dafür erhalten wir nebst der Hotellerie auch Anfragen aus anderen Branchen, etwa von Fitnesszentren oder aus der Industrie.

Können die Roboter Hotelzimmer reinigen?
Nein, aber sie reinigen effizient grosse Flächen, etwa lange Gänge. Sie sind in der Hotellerie eine gute Option, statt dass man jemanden stundenlang staubsaugen lässt. Zudem haben einige Modelle die Fähigkeit, automatisiert den Lift zu benutzen. Sie können sich also von Etage zu Etage selbstständig verschieben.

Wie beurteilen Sie persönlich die Zukunft dieser Industrie?
Alles, was mit Digitalisierung, künstlicher Intelligenz, Robotern oder automatisierten Prozessabläufen zu tun hat, wird Einzug in unser Leben halten. Nicht nur in der Gastronomie. Das wird riesige Wellen schlagen. Und Gastronomen und Gastronominnen müssen sich damit auseinandersetzen. Sie kommen gar nicht darum herum. Klar, man kann in einem Restaurant auch das Konzept «Wirten wie zu Gotthelfs Zeiten» verfolgen – und das kann funktionieren. Aber die meisten müssen sich mit diesen Themen beschäftigen.

In Ihnen soll ein unermüdlicher Erfinder schlummern. Was haben Sie denn sonst noch so im Köcher?
Es gibt tatsächlich ein weiteres Feld, das uns beschäftigt und das wir jetzt konkret angehen wollen: die digitale Fachkräftegewinnung über Social Media mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz und Algorithmen, insbesondere auch in der Gastronomie. Mit Robotern allein lässt sich der Fachkräftemangel nicht beheben. Betriebe müssen in Zukunft eine positive Arbeitgebermarke aufbauen, um für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer attraktiv zu sein. Was wir neu anbieten, nennt sich Social Recruiting und Employer Branding und läuft unter dem Brand Allsynpro.io, dem Nachfolger von Pogastro. Konkret geht es darum, dass Firmen auf digitalen Kanälen Jobanzeigen in eigener Sache machen und so Kontakt zu Fachkräften knüpfen können, die hochqualifiziert, aber vielleicht nicht aktiv auf Stellensuche sind.

Der Zukunft auf den Fersen
Thomas Holenstein (39) wuchs in Kerns im Kanton Obwalden auf. Er absolvierte eine kaufmännische Lehre, studierte Betriebswirtschaft und realisierte früh, dass ihm das Unternehmerische liegt. Bereits mit 17 Jahren organisierte er unterschiedliche Events in der Region. Doch richtig fasziniert war er von der Digitalisierung. 2016 lancierte er seine Software Pogastro. Das Marketingtool erlaubt es Gastronominnen und Gastronomen, ihre Inhalte – sei das nun eine Speisekarte oder eine offene Stelle – bequem auf alle ihre digitalen Kanäle, etwa die Website, aber auch die sozialen Medien zu spielen. Als Covid-19 die Branche lahmlegte, gründete Holenstein mit Sebotics eine zweite Firma, über die er verschiedene Serviceroboter in der Schweiz sowie in Deutschland und Österreich vertreibt. Interessierten bietet er die Möglichkeit, einen Roboter vor dem Kauf einige Monate testweise zu mieten.
sebotics.com