«Unsere Küche ist analog und basiert auf Respekt gegenüber den Tieren und der Welt.»
Jahrzehntelang prägte Fredy Speck sein Restaurant und die Metzgerei. 2018 verabschiedete er sich in die Pension. Wie weiter?, lautete die Frage beim traditionellen Familienunternehmen, zu dem damals eine Metzgerei mit Gaststätte in Aarau sowie eine Metzgerei im Stadtteil Rohr gehörten. Schnell war klar, dass sichdie Familie aufs Hauptgeschäft in Rohr konzentriert und die Metzgerei in Aarau auflöst. Das zugehörige Restaurant wurde saniert und der Raum der vormaligen Metzgerei darin integriert. Die Geschwister Christine und Peter Speck, die Kinder von Arthur Speck, der wiederum der Bruder von Fredy ist, hatten bei der Suche nach Nachfolgern für ihren legendärenOnkel den richtigen Riecher, als sie Laura Peter die Führung des Lokals und der Architektin Verena Frey die Renovation des Hauses anvertrauten. So weit, so gut.
Das Resultat dieser Übergabe ist eine unprätentiöse Erfolgsgeschichte, die seit Frühling 2018 nicht nur die Eingeborenen von Aarau in ihren Bann zieht. Das Publikum im Speck ist gut durchmischt, die Stimmung flott, und an den Tischen variierendie Dialekte zwischen Zürich und Basel. Das einzig Störende ist, dass der Speck mittags nicht geöffnet hat. Aarau würde eine kulinarische Bereicherung des aktuellen Mittagsangebots gut anstehen. «Unsere Arbeit ist wahnsinnig schön, aber auch sehr anstrengend. Kompliment an alle, die sich so was antun», beantwortet die sympathische Gastgeberin Laura Peter die unausgesprochene Frage. Peter ist in der Gastroszene keine Unbekannte. Nach ihrer grossen Neuseeland-Reise war sie sieben Jahre lang Geschäftsführerin bei Bindella, bevor sie 1998 als Selbstständige die Aarauer Bistro-Bar Gossip übernahm, in der nicht nur gut gegessen und getrunken wird, sondern auch der Stadtklatsch die Runden macht.
Aarau wird immer noch gern und oft vom Rest der Schweiz unterschätzt. Dabei begeistert der Ort Jung und Alt mit seinem Kunsthaus, der Altstadt, dem lebendigen Samstagsmarkt, der Aare-Auenlandschaft und den zahlreichen kleinen kulturellen Anlässen. Und schon bald (Oktober 2021) wird hier mit der Alten Reithalle ein Haus eröffnet, das für Theater, Tanz, Musik und modernen Zirkus einsteht. Also noch ein Grund mehr, Aarau zu besuchen, obwohl dem Genussmenschen der Speck durchaus genügte.
Die Küche hier ist wohltuend unaufgeregt. Sie besticht durch eine elegante Schlichtheit und überrascht immer wieder mal mit unkonventionellen Kombinationen, die den Gaumen zwar fordern, aber nie überfordern. Dafür verantwortlich sind Susanna Gerber und Fabio Nenna, die Neues und Altes gekonnt verbinden oder harmonisch nebeneinander herlaufen lassen. Das präsentiert sich dann beispielsweise so: ein Tatar von der Aubergine und Tomate, gefolgt von einem knackigen Fritto misto aus Kabeljaukroketten, Calamari, Zucchiniblüten, Champignons und allerlei Gemüse, sekundiert von einer Aïoli der besseren Art. Dazwischen einige luftige Basilikum-Gnocchi, bis es mit einem knusprigen, in Buttermilch und Kräutern marinierten Backhendl zu Ende geht. Fast. Denn danach bieten sich diverse Desserts an, etwa Pavlova, Mirabellen-Tarte-Tatin oder hausgemachtes Sorbet aus Schwarzen Johannisbeeren mit Cassislikör. «Unsere Küche ist analog und basiert auf Respekt gegenüber den Tieren und der Welt»: So beschreiben es Susanna Gerber und Fabio Nenna. «Wir sind authentisch, sorgfältig und echt. Wir wecken Erinnerungen aus vergangenen Tagen, lassen uns aber genügend Raum für Neues.»