«Das Haus lebt von den Persönlichkeiten, die dahinterstecken.»
Es gehört in der Gastronomie zum guten Ton, sich Nachhaltigkeit auf die Fahne zu schreiben. Sie gehen einen Schritt weiter und achten darauf, nachhaltig mit sich selber umzugehen. Was heisst das konkret?
Markus Burkhard: Ich finde, dass wir hier Tag für Tag etwas Wichtiges machen und deshalb dafür sorgen müssen, dass wir das langfristig tun können. Die Arbeit in unserer Branche ist streng und mitunter ungesund, das ist klar. Die meisten Gastronomen, ich eingeschlossen, arbeiten nicht jede freie Minute an ihrer Fitness und achten nicht ständig auf ihre Gesundheit. Wir essen gern, mögen Wein, haben lange Arbeitstage, ernähren uns im Job nicht besonders gut und schlafen wenig. Umso wichtiger ist es, dass wir die Freude an unserer Arbeit behalten.
Um das zu gewährleisten, beschlossen Sie, das Restaurant Jakob einen zusätzlichen Tag zu schliessen.
Genau: Unser Esszimmer ist sonntags, montags und dienstags zu, wobei wir den Dienstag jeweils für die Produktion nutzen. Wir machen tatsächlich die Erfahrung: weniger offen, mehr Umsatz. Nach etwa zwei Jahren hatten wir einfach festgestellt, dass an gewissen Tagen nicht das auf der Kasse ist, was wir uns erhofft hatten – und dass der Raubbau, den wir am eigenen Körper und an der eigenen Motivation betrieben, sich dafür nicht lohnte. Das stand in keinem Verhältnis. Sowohl meine Partnerin Flavia Hiestand wie auch ich verbrachten früher zu viel Zeit im Restaurant, um das langfristig machen zu wollen. Genau das jedoch ist das Ziel: Wir möchten unsere Idee, mit der wir hier im Jakob starteten, immer weiter verdichten.
Erzählen Sie.
Wir beschäftigen uns mit unserer Region, mit den Produkten von hier. Es wäre idiotisch, wenn wir nicht erkennen und nutzen würden, was wir haben: die Bergregion in Wald, den See vor der Nase, den Gemüseanbau im Linthgebiet. Das Ganze benötigt aber Zeit; manche Produzenten wechselten, andere entdeckten wir erst nach und nach. Und mit Menschen wie Matthias Hollenstein von Slow Grow entwickelte sich eine Beziehung, die über die blosse Zusammenarbeit hinausgeht. Solche Prozesse durchzumachen, das Netz zu festigen, braucht Luft und Raum. Dafür glaube ich, dass wir heute besser sind als am Anfang, dass wir an Konsequenz zugelegt haben.
Inwiefern?
Nun ja, wir fahren seit Anbeginn ein regionales Konzept mit den Ausnahmen Kaffee, Wein und Schokolade – auf die kann ich einfach nicht verzichten. Bei allem anderen kommen wir damit aus, was wir rundherum haben: Ich verwende die Früchtevon meinem Limettenbaum auf dem Balkon und verzichte auf Gewürze wie Muskat oder Pfeffer. Wir wollen glaubwürdig sein, den Nachhaltigkeitsgedanken ehrlich leben. Und wir stellten fest, dass die Auseinandersetzung mit der Umgebung und den Geschmäckern, die die Region hergibt, intensiver ist, wenn man nichts anderes zulässt. Der Prozess ist total spannend. Wir suchten beispielsweise einen Weg, um Piment d’Espelette zu ersetzen, pflanzten Chilis an, fermentierten und trockneten sie – und erhielten tatsächlich ein säuerliches Paprikapulver, das wir verwenden können.
Sie sind stark von Ihrer Philosophie getrieben.
Das stimmt. Und ich möchte noch besser werden, gerade auch, was die Verwertung unserer Lebensmittel angeht. Deshalb lancierten Marius Frehner vom Zürcher Gamper und ich mit der gütigen Hilfe von Beat Lendenmann von Pico Bio eine Art Fleischkooperation. Wir lassen die Rinder möglichst nah schlachten, bringen sie zu Pico Bio, wo wir einen Kühlraum zur Verfügung haben, und teilen die Stücke auf. Das ist super, aber ich habe immer wieder Fleisch, bei dem ich überlegen muss, was ich damit anfange. Was macht man zum Beispiel mit all den Rinderherzen? Die letzte Charge habe ich getrocknet, um sie zu reiben, aber so ein getrocknetes Rinderherz hält ja ewig. Das beschäftigt mich.
Wie bereit sind Ihre Gäste für das, was Sie tun?
Wir sind sehr anständig, ganz ehrlich. Wir schockieren wenig.
Würden Sie gern mehr?
Manchmal, ja. Hin und wieder erwische ich mich selber dabei, dass ich mein Gericht als «knusprigen Schweinswürfel» präsentiere, statt auszuführen, dass es sich dabei um Schweinskopf handelt. Das mag idiotisch sein, ist wohl aber natürlich. Ich will nicht riskieren, dass mein Gast deswegen einen schlechten Abend hat.