«Ich mache mein eigenes Ding.»
Auf Ihrem Niveau – 17 Punkte, ein Stern – tun sich viele Ihrer Kolleginnen und Kollegen gern hervor. Sie hingegen bleiben eher im Hintergrund. Warum so zurückhaltend?
Lukas Kiener: Das ist eine gute Frage. Ich glaube, dass ich ein bescheidener, bodenständiger Mensch ohne Starallüren bin. Gleichzeitig bin ich durchaus ein Perfektionist und stelle hohe Ansprüche an mich selbst. Ich will stetig besser werden, bleibe immer dran, investiere viel Leidenschaft und Zeit in meinen Beruf, um ihn auf diesem Level überhaupt machen zu können. Der erste Stern kam 2019 ja aus dem Nichts.
Sie haben auf diesen nicht hingearbeitet?
Naja, ich sagte schon in der Lehre, dass ich eines Tages gern einen Stern hätte. Das wollen wir doch alle! Das Ziel gab es also, aber es stand nicht unbedingt im Vordergrund. Ich übernahm das Zur Gedult 2015 als 13-Punkte-Betrieb, und seither ging es kontinuierlich aufwärts, von Jahr zu Jahr. Erst 14 Punkte, dann 15 – und dazu plötzlich der erste Stern. Ich erinnere mich gut: Das E-Mail von Michelin war bei mir im Spam gelandet, und ein paar Tage vor der Verleihung, die im KKL in Luzern stattfand, rief mich Ralf Finkenflügel an, weil ich auf die Einladung kein Feedback gegeben hatte ... Das kam schon sehr überraschend. Und ich hinterfragte mich.
Inwiefern?
Ich machte mir Gedanken, ob das, was ich hier tue, gut genug ist. Das klingt vielleicht blöd, war im ersten Moment aber so.
Der Stern verunsicherte Sie?
Nein, das nicht. Er hatte vielmehr einen positiven Effekt: Ich steckte danach in jedes Gericht noch ein paar Überlegungen mehr. Der Stern pushte mich. Inzwischen arbeite ich auf den zweiten Stern hin. Im Kanton Bern gibt es aktuell keinen einzigen Zwei-Sterner – wenn ich das ändern könnte, das wäre schon ziemlich cool! Ich glaube, dass wir vom Essen her das Niveau dafür hätten.
Wie würden Sie Ihre Küche denn beschreiben?
Innovativ, modern und leicht, regional und saisonal, vorwiegend mit Schweizer Produkten. Und der Geschmack steht immer an erster Stelle. Ich mache mein eigenes Ding, man muss nicht allen Trends nachrennen. Sauerteigbrot, zum Beispiel. Ich backe mein Brot ebenfalls selbst, variiere aber. Wobei das sicher auch daran liegt, dass ich sowohl den Käse als eben auch das Brot mit einem Tellergericht als eigenen Gang ins Menü einbaue – und mir dafür regelmässig was Neues einfallen lassen muss respektive darf.
Warum ein Brot-Gericht?
Ganz pragmatisch: Es fällt weniger Foodwaste an, weil die Leute das Brot aufessen. Es wird mit einem eigenen Gang regelrecht zelebriert. Bei den Gästen kommt das gut an, und ich kann mich mit diesem Konzept von anderen abheben – eben mein eigenes Ding machen.
Woran orientieren Sie sich im kreativen Prozess?
Ich spaziere viel, bleibe ganz bei mir. Wobei ich in der Freizeit versuche, auch mal komplett runterzufahren, nicht ans Kochen zu denken. Ich verbringe gern Zeit mit meiner Familie, habe zwei kleine Kinder. Meine Frau arbeitet nicht in der Gastronomie, und obschon sie mich extrem unterstützt, sagt sie mir hin und wieder auch, dass ich mich daheim auf etwas anderes konzentrieren soll. Das ist gut; es sorgt für einen Ausgleich – und schafft Raum für Kreativität. Oft sind es Blitzideen, ich kann das nicht so richtig erklären. Prinzipiell koche ich, was ich mag und wozu ich stehen kann. Und natürlich orientiere ich mich an der Saison.