«Das Uccelin-Programm ist ein Zusatzbooster.»
Vor acht Jahren startete das erste Uccelin-Programm. Verglichen mit damals, welchen Stellenwert geniesst ein solches Angebot heute?
Anthea Zinsli (AZ): Schaut man die aktuelle Situation in der Gastronomie mit ihren Herausforderungen an, ist es klar: Eine Stiftung, die sich für junge gastronomische Talente einsetzt, die sich weiterentwickeln möchten, ist extrem wichtig. Entsprechend sind Programme wie jenes von Uccelin bedeutend für die Branche.
Sie spielen auf den Fachkräftemangel an. Der war bei der Stiftungsgründung wohl ein Problem, aber längst nicht so heiss diskutiert wie heute. Welche Überlegungen standen 2016 im Zentrum?
Sarah Caminada (SC): Damals war die grössere Schwierigkeit, dass die Gastronomie einen schlechten Ruf hatte – obwohl es dafür keinen Grund gibt. Entsprechend ging es uns mehr darum, Perspektiven zu schaffen, in die Aus- und Weiterbildung zu investieren und ein Angebot zu lancieren, das die Berufe der Gastronomie attraktiver macht. Das Problem in der Branche ist ja auch, dass es nur eine Schiene gibt, wenn man sich weiterbilden möchte: den Wechsel vom Handwerk aufs Akademische, also an die Hotelfachschule. Wir möchten eine Option bieten, im handwerklichen Bereich zu bleiben und sich doch zu entwickeln – mit dem Ziel, eines Tages ein Level zu erreichen, das wir wohl alle anstreben. Als Küchenchef vielleicht oder als Teamleiterin im Service.
Wie entscheiden Sie konkret, wen Sie ins Programm aufnehmen?
AZ: Wir erhalten rund 100 Bewerbungen pro Runde, die ich sichte und vorselektioniere. 20 Stück, die unseren Vorgaben und Vorstellungen entsprechen, gebe ich an den Stiftungsrat weiter.
SC: Und wir diskutieren dann – über fünf Prozent. In 95 Prozent der Fälle sind wir uns nämlich eh einig. Die anderen fünf Prozent allerdings geben in der Regel recht zu reden.
Welche Grundvoraussetzungen muss ein junges Talent denn mitbringen?
SC: Wir setzen zum Beispiel drei Jahre Praxis nach der Berufslehre oder fünf Jahre Berufserfahrung bei Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern voraus.
AZ: Essenziell ist für uns aber auch, dass die Kandidaten und Kandidatinnen eine gewisse Motivation zeigen. Welche Ziele hat ein junges Talent? Wo möchte es hin? Wir entscheiden aufgrund verschiedener Faktoren, wer sich für das Uccelin-Programm eignet. Und es ist schön zu sehen, wie viele von denen, die es bereits absol- viert haben, sich enorm weiterentwickelt haben. Ein Teilnehmer aus Malaysia beispielsweise hat inzwischen sein eigenes Restaurant eröffnet ...
SC: Oder Caterina Vosti, die im Eden Roc in Ascona zwischenzeitlich eine Brigade mit über 100 Leuten führte. Wow! Und da reden wir nicht von über 50-Jährigen, son- dern von Menschen Anfang 30. Natürlich gilt das nicht für alle, und es ist auch nicht unsere Bedingung, dass man dermassen getrieben sein muss, aber eine grundlegende Neugier und ein grundlegender Ehrgeiz sollten gegeben sein.
AZ: Genau wie die Leidenschaft für den Beruf und das Handwerk.
Das sind alles Eigenschaften, mit denen man es im Beruf auch ohne Ihre Förderung weit bringen könnte, nicht?
SC: Natürlich. Das Uccelin-Programm ist ein Zusatzbooster: Es unterstützt junge Talente auf ihrem Weg, macht sie aber nicht automatisch zu Superstars. Man darf auch nicht vergessen: Das Ganze ist an- strengend, es geht 20 Wochen lang Schlag auf Schlag. Während des Programms sind die Stipendiaten und Stipendiatinnen laufend mit neuen Kulturen, Teams, Sprachen konfrontiert, müssen sich anpassen, ihren Platz finden. Sie sehen und lernen viel, sind auf einer persönlichen Ebene aber auch echt herausgefordert.
Dabei werden die Nachwuchstalente von Ihnen tatkräftig unterstützt. Man könnte fast sagen: luxuriös betreut.
AZ: Tatsächlich machen wir viel für sie. Wir organisieren ihre Reisen, buchen Flüge und Zugfahrten, kümmern uns um Visa, Unterkünfte, Einsatzpläne. Wenn etwas ist, können sie mich immer anrufen. Für mich ist das auch schön: Ich bin nah dran und erlebe mit, wie es ihnen geht, was sie fordert, was sie freut.
Wie oft läuft es für jemanden nicht gut?
SC: Sehr selten. Ich erinnere mich an einen Fall, in dem wir von unserem Küchenchef im Schloss Schauenstein die Rückmeldung erhielten, dass ein Stipendiat ein Attitüde- Problem habe. Darauf reagierten wir umgehend. Dass die Teilnehmenden ihr Programm hier in Fürstenau starten, hat logistische und administrative Gründe, aber eben auch den Vorteil, dass wir sie kennenlernen und wissen, wen wir in unsere Partnerbetriebe entsenden. Das ist uns wichtig, denn wir wollen nicht, dass diese schlechte Erfahrungen machen.