«Slow Food wird sich in Zukunft noch stärker politisch ausrichten.»
30 Jahre ist es her, seitdem Delegierte aus 15 Ländern in Paris das Gründungsmanifest von Slow Food unterzeichneten. Was hat sich seither verändert?
Ursula Hudson: Zunächst einmal ist die Bewegung gewachsen: Aus einer Handvoll Menschen, die die Sache ins Rollen brachten, wurde ein Netzwerk, das heute in 160 Ländern aktiv ist und über eine Million Freiwilliger und Aktivisten umfasst. Dem Grundgedanken des Manifests – dem achtlosen, schnelllebigen Konsum die Rückbesinnung auf das Gute, Ursprüngliche und Genussvolle entgegenzusetzten – ist Slow Food bis heute treu geblieben. Aber die Bewegung ist viel politischer als früher. Standen am Anfang vor allem der Lebensstil bewusster Langsamkeit und die Vielfalt authentischer Geschmäcker im Zentrum, geht es heute um mehr. Mit der Präsenz von Slow Food auf mehreren Kontinenten sind Fragen zur globalen Ernährungsproblematik und den damit verbundenen ökologischen und sozialen Themen ins Zentrum gerückt.
2020 werde ein grundlegendes Jahr für Slow Food, liess der internationale Vorstand verlauten. Was steht auf der Agenda?
Mittelfristig wird es zu einem Generationenwechsel in der Führungsriege kommen, da wir im internationalen Vorstand alle schon älter sind. Sicher im Hinblick auf diese Transformation ist auch, dass sich Slow Food in Zukunft noch stärker politisch ausrichten wird, das wird sich auch inhaltlich zeigen.
Inwiefern?
Eines der wichtigsten Themen ist Ernährungssouveränität, also das Recht auf die selbstbestimmte Produktion von Lebensmitteln. So wollen wir die lokalen Erzeugergemeinschaften stärken, etwa, indem wir die Presidi-Projekte ausbauen. 2020 sollen weltweit 30 weitere hinzukommen. Mit Presidi unterstützt Slow Food bedrohte, hochwertige Lebensmittelproduktionen, schützt autochthone Tierrassen oder Pflanzenarten und hilft Erzeugern, sich mit solchen Produkten einen Markt zu erschliessen. Gleichzeitig wollen wir unsere Präsenz in Brüssel ausbauen, wo Slow Food ein kleines, sehr gut funktionierendes Büro betreibt. 2020 soll es Verstärkung bekommen. Uns geht es nicht um klassische Lobbyarbeit, sondern vielmehr um positive Einflussnahme. Dazu gehört, den Austausch zwischen Politik und Zivilgesellschaft zu fördern – und ebenso, die guten Bemühungen, die es auf politischer Ebene ja auch gibt, in die Gesellschaft zu tragen.