«Gerade in der Führungsfrage geht es ja nicht ums Technische, sondern ums Menschliche.»
Vor einiger Zeit sagten Sie noch, die Qualität der Bewerbungen fürs Uccelin-Förderprogramm müsse sich verbessern. Wie schaut das heute aus?
Sarah Caminada: Da ist ein Riesensprung passiert. Die Fundaziun Uccelin gibts seit vier Jahren und die Qualität der Bewerbungen hat sich stetig verbessert – wobei wir da nicht vom Background der Kandidaten sprechen, sondern von der Art und Weise, wie sich diese präsentieren. Gerade in den Motivationsschreiben, in denen die Bewerber erzählen, wo sie im Leben stehen und warum sie der oder die Richtige fürs Programm zu sein glauben, fehlte uns am Anfang einiges. Aber in der letzten Runde hätten wir jeden einzelnen Kandidaten nehmen können – die Qualität war brutal hoch. Das ist schön, macht die Sache aber auch schwierig: Pro Batch nehmen wir momentan zwischen fünf und acht junge Talente.
Warum machten Michaela Frank und Stefanie Mittler das Rennen?
Caminada: Ohne sie zu fest loben zu wollen: Weil sie supergut sind. Sie stehen mit beiden Füssen im Leben, wissen, wo sie herkommen und wo sie hinwollen. Ich bin echt mega happy, dass wir auch Frauen dabei haben.
Ist das die Ausnahme?
Caminada: Im Service-Bereich bewerben sich etwa gleich viele Frauen und Männer fürs Uccelin-Programm, aber die Köchinnen sind gegenüber den Köchen noch immer in der Minderheit. Das ist total schade. Frauen haben die Tendenz, sich unter den Scheffel zu stellen. Sie sagen: Ich geb mein Bestes, ich probiere es – während der Mann findet: Das kann ich. Wir Frauen sollten anfangen, mehr Selbstvertrauen zu entwickeln und an unsere eigenen Fähigkeiten zu glauben.
Wie war das bei Ihnen?
Stephanie Mittler: Tatsächlich arbeitete ich früher eine Weile im Igniv in Bad Ragaz und kannte das Programm. Trotzdem sagte ich mir lange: Ich schaffe das eh nicht, ich komme da sicher nicht rein. Irgendwann allerdings beschloss ich, es einfach zu probieren. Ich bin jetzt 26, habe die Kochlehre relativ spät absolviert und im Vergleich zu anderen bislang wenig gesehen. Das Uccelin-Programm ist für mich eine Riesenchance, weil ich in kurzer Zeit so viel erleben werde. Ich mache Stages bei Tanja Grandits, Philippe Chevrier und Hans Neuner – das wird superkrass.
Auch Sie hatten Zweifel vor der Bewerbung. Was gab den Ausschlag?
Michaela Frank: Ich hatte die Küche zwischenzeitlich verlassen, war auf Reisen, arbeitete als Barista, an der Bar, im Service und bei Caterings. Aber ich vermisste das Kochen. Ein guter Freund von mir sowie ein alter Teamkollege aus der Junioren-Kochnationalmannschaft hatten das Uccelin-Programm beide absolviert, also gab ich mir einen Ruck und dachte: Sie können mich höchstens ablehnen. Jetzt bin ich hier, darf ins Ambrosia nach Santiago de Chile, ins Alancha nach Istanbul und ins Stucki nach Basel.
Sie stehen zweimal bei einer Frau in der Küche. Absicht?
Frank: Durchaus. Ich möchte das Uccelin-Programm auch dafür nutzen, mich als Frau in der Küche besser zurechtzufinden, mich in meiner Haut besser zu fühlen. Ich möchte selbstsicherer werden und in der Küche ein gutes Auftreten an den Tag legen.
Wie viel selbstsicherer verlassen die Stipendiaten Ihr Programm?
Caminada: Sie sind nach 20 Wochen keine anderen Menschen, klar, aber sie kommen in dieser Zeit an ihre Grenzen, was sie vorwärtsbringt. Die vielen Wechsel, die unterschiedlichen Bedingungen, Teams, Produkte und Philosophien machen sie selbstständiger, flexibler und spontaner. Selbstsicherheit indes muss man sich erarbeiten, sie kommt mit den Jahren und der Erfahrung – zumindest war das bei mir so. Dabei hilft es, viel zu sehen: Vorbilder, aber auch Sachen, die man selbst später nicht so machen möchte. Gerade in der Führungsfrage geht es ja nicht ums Technische, sondern ums Menschliche.
Das Uccelin-Programm ist eine grosse Chance für junge Köche und Serviceleute. Was erwarten Sie von diesen im Gegenzug?
Caminada: Grundsätzlich nichts. Ich wünsche mir, dass sie die Liebe zum Handwerk beibehalten. Wer in der Küche oder im Service arbeitet, hat kaum Möglichkeiten, sich im angestammten Beruf weiterzubilden. Klar, man kann den Küchenchef machen oder an die Hotelfachschule gehen... aber wir möchten jene Menschen fördern, die die Arbeit am Herd oder am Gast lieben und dabei bleiben möchten.
Was Sie überdies bieten, ist Zugang zu Ihrem Netzwerk. Kommt man in der Gastronomie nur mit Vitamin B weiter?
Mittler: Das glaube ich nicht. Ich bewarb mich im Uccelin-Programm absichtlich, ohne Silvio Germann oder Francesco Benvenuto vom Igniv in Bad Ragaz etwas davon zu sagen. Ich wollte ausgewählt werden, weil ich es bin, nicht, weil ich jemanden kenne.
Caminada: Und doch, so brutal es klingt: Ich glaube, dass das Netzwerk das A und O ist. Natürlich hat Stephanie recht: Wenn man über Vitamin B irgendwo reinkommt, die Leistung dann aber nicht bringt, funktioniert es nicht. Aber um überhaupt Zugang zu erhalten, hilft es, Leute zu kennen. Die Welt ist klein, jene der Spitzengastronomie sowieso. Da können die Stipendiaten vom Uccelin-Programm stark profitieren – wenn sie denn wollen.