04.02.2019 Salz & Pfeffer 1/2019

«Es wird nicht diskutiert»

Interview: Delia Bachmann – Foto: z. V. g.
Kurt Röösli nimmt seinem Bauer alles ab. Egal ob die Karotten krumm oder die Kartoffeln wurmstichig sind. An der Fachtagung Gemeinschaftsgastronomie im März spricht der Küchenchef der Stiftung Wagerenhof über seine Selbstversorgerpläne.
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Vor zwei Jahren verliessen Sie die Spitzengastronomie und heuerten als Küchenchef der Stiftung Wagerenhof in Uster an. Was reizte Sie an der Stelle?
Kurt Röösli:
Mir gefiel der dörfliche Charakter des Heims, das sich auf viele kleine Gebäude verteilt. Die Bewohner arbeiten in der Gärtnerei und auf dem Bauernhof mit. Diese Nähe zur Landwirtschaft erinnerte mich an meine Kindheit im Entlebuch. Man nimmt ab, was es gibt, und es wird nicht diskutiert.

Was, wenn die Qualität nicht stimmt?
Der heisse Sommer war nicht ideal für die Kartoffeln. Wir hatten viele Käfer. Da muss man die Knollen halt kochen und ihnen die Augen rausziehen. Das bedeutet zwar mehr Aufwand und Rüstabfälle, aber auch mehr Herz und Geschmack. In der Natur wie auch im Leben ist eben nicht immer alles gerade und perfekt.

Wie weit wollen Sie die Philosophie der Selbstversorgung treiben?
Mittlerweile nehmen wir der Gärtnerei und dem Hof den gesamten Ertrag ab. Gemüse, Früchte, Fleisch, Milch, Eier und seit Neuem auch Urdinkel und anderes Getreide, aus dem wir Mehl machen. Im Mai hat die Stiftung mit dem Schlosshügel zusätzliches Land gepachtet, auf dem Lämmer weiden und Apfelbäume, Beeren und Kräuter wachsen. Wir wollen noch ausbauen, einen Selbstversorgungsgrad von 100 Prozent werden wir aber nie erreichen.

Was passiert mit der überschüssigen Ernte?
Wir hatten dieses Jahr sehr viele Zwetschgen, die wir zu Kompott, Wähen und Chutney verarbeiteten. Ist zu viel Milch da, machen wir Frischkäse. Sind die Erdbeeren zu wässrig, dörren wir sie oder machen Gelee daraus. Genau das sind doch die Fragen, die den Kochberuf so spannend machen.

Das muss man sich auch leisten können.
Ganz im Gegenteil. Die Produkte sind nicht teurer, weil wir sie direkt vom Hof kaufen und die Abnahme garantieren.

Nach einem Vierteljahrhundert am Herd des Engadiner Fünf-Sterne-Hotels Waldhaus Sils, davon 20 Jahre als Küchenchef, schlug Kurt Röösli (53) im Sommer 2016 ein neues Kapitel in der Gemeinschaftsgastronomie auf: Als Küchenchef in der Stiftung Wagerenhof, einem Heim für Menschen mit geistiger Behinderung in Uster, verarbeitet der ausgebildete Diätkoch und zweifache Familienvater alles, was die Gärtnerei und der Hof auf dem Gelände hergeben.

Am 15. März lädt der Schweizer Kochverband in die Umweltarena Spreitenbach zur Fachtagung Gemeinschaftsgastronomie, die alle zwei Jahre stattfindet. Die Teilnehmer erwartet ein buntes Programm, das von der Saat im Boden bis zu kulinarischen Experimenten reicht. Den Auftakt macht der einstige Sternekoch Kurt Röösli, der als Küchenchef der Stiftung Wagerenhof in Uster auf einen hohen Grad an Selbstversorgung setzt. Ebenfalls mit von der Partie ist Alfred Bänninger, der bei der landwirtschaftlichen Beratungszentrale Agridea das Projekt «Förderung nachhaltiger und vermehrt regionaler Versorgung in der Verpflegung der Gemeinschaftsgastronomie» leitet. Einblick in die optimierten Verpflegungsabläufe der Schweizer Armee gibt Daniel Marti, Hauptadjutant und Chef Fachausbildung sowie Leiter Verpflegung in Thun. Mit Dino Schönberger und Matthias Mittelholzer, Executive Chef sowie Manager Operational Support bei Gate Gourmet Schweiz, berichten gleich zwei Referenten von ihren Erfahrungen beim Airline-Caterer. Den Abschluss bilden der Molekularkoch Rolf Caviezel und Christof Bickel, National Operations Manager bei McDonald's Schweiz.

Vergünstigte Tickets
Neu können Mitglieder des Schweizer Verbands für Spital-, Heim- und Gemeinschaftsgastronomie für 50 statt für 190 Franken an der Fachtagung teilnehmen. Ein Vorzugspreis, der bisher nur für Mitglieder der Hotel & Gastro Union sowie für Ausbildner galt. Kostenlos ist die Teilnahme auch für angehende Köche und Systemgastronomen.
www.hotelgastrounion.ch