10.10.2024 Salz & Pfeffer 5/2024

Essen retten, Kosten senken

Text: Sara Witmer – Fotos: Jürg Waldmeier
In der Küche der Universitären Altersmedizin Felix Platter in Basel hat man dem Foodwaste den Kampf angesagt. Dieser Herausforderung stellen sich Christian Adam, Leiter Gastronomie, und sein Team jedoch nicht alleine.
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Erst kürzlich abends, so beginnt Küchenchef Christian Adam unser Gespräch, sei seine Tochter nach Hause gekommen, empört darüber, dass es beim Bäcker nur noch zwei Brote zur Auswahl gab. «Hast du ihm gratuliert?», habe er daraufhin seinen Nachwuchs gefragt. Uns erklärt er: «Ein Bäcker, der Abend um sechs nur noch zwei Brote hat, hat alles richtig gemacht.» 

Wenn es um Foodwaste geht, kommt der 59-Jährige in Fahrt. Zustände wie heute, wo allein in der Schweiz jährlich 2,8 Millionen Tonnen essbare Lebensmittel im Müll landen, will der engagierte Gastronom nicht mehr einfach hinnehmen. Zumal er weiss, dass sich viel davon vermeiden liesse und er als Leiter Gastronomie eines mittelgrossen Unternehmens eine Position innehat, in der er diesbezüglich auch etwas bewirken kann. «Betriebe wie der unsere haben eine Verantwortung. Wir müssen mit gutem Beispiel vorangehen», ist Adam überzeugt. Beim Engagement gegen Foodwaste gehe es um das grosse Ganze: «Die ökologischen, klimatischen sowie die politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen, die verschwendete Lebensmittel im Endeffekt haben», präzisiert Adam. «Und wem das nicht reicht, dem kann ich gerne vorrechnen, dass es auch betriebswirtschaftlich extrem relevant ist, essbare Lebensmittel nicht einfach zu verschwenden.»

Tatsächlich lesen sich besagte Berechnungen für Aussenstehende eindrücklich: So hat die Universitäre Altersmedizin Felix Platter im Rahmen von zwei vierwöchigen Foodwaste-Messungen im April 2022 und Juli 2023 alle vermeidbaren Lebensmittelabfälle gesammelt, nach Kategorien sortiert und gewogen. Während bei der ersten Messung rund 7,5 Tonnen Foodwaste angefallen waren, waren es im Juli 2023 noch 6,5 Tonnen. Das entspricht einer Reduktion des Abfalls um 14 Prozent und einer monatlichen Einsparung von über 4000 Franken. Gratuliert man Christian Adam zu diesen Zahlen, zuckt er allerdings nur mit den Schultern: «Das ist nicht schlecht, aber wir sind noch lange nicht dort, wo wir sein könnten.»

Die Prognose, wohin das Spital bezüglich seines Food-Save-Potenzials könnte, basiert auf der Expertise von Foodways, einem Schweizer Umweltberatungsunternehmen im Bereich Ressourceneffizienz und Food Save Management. «Grundsätzlich können Spitäler in den guten Praxisbereich von maximal 90 Gramm Foodwaste pro Hauptmahlzeit kommen», weiss Projektleiter Alexander Pabst. Aktuell coacht er Adam und sein Team durch eine dritte Messperiode. Denn: «Zwölf Tonnen weniger Lebensmittelabfälle pro Jahr sind nicht schlecht. Aber wir haben uns gemeinsam mit Christian Adam das Ziel gesetzt, monatlich auf rund 3,5 Tonnen zu kommen», verrät Pabst.

Durchsichtige Sammelgefässe tragen zur Sensibilisierung des Teams bei.
Durchsichtige Sammelgefässe tragen zur Sensibilisierung des Teams bei.
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Christian Adam, Leiter Gastronomie der Universitären Altersmedizin Felix Platter in Basel, engagiert sich gegen Foodwaste.
Christian Adam, Leiter Gastronomie der Universitären Altersmedizin Felix Platter in Basel, engagiert sich gegen Foodwaste.
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Anrichten mit kleineren Kellen – auch damit lässt sich Foodwaste reduzieren.
Anrichten mit kleineren Kellen – auch damit lässt sich Foodwaste reduzieren.
So einfach kann es sein: Zwei Drittel weniger Milch zum Kaffee ist immer noch genug.
So einfach kann es sein: Zwei Drittel weniger Milch zum Kaffee ist immer noch genug.
Die Ergebnisse der 28-tägigen Foodwaste-Messung werden in einem ausführlichen Report zusammengefasst, der als Grundlage für individuelle Massnahmen gegen Lebensmittelabfälle dient.
Die Ergebnisse der 28-tägigen Foodwaste-Messung werden in einem ausführlichen Report zusammengefasst, der als Grundlage für individuelle Massnahmen gegen Lebensmittelabfälle dient.
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Die 28 Tage der aktuellen Messung beginnen just am Tag unseres Besuches. Sowohl in der Produktions- als auch in der Abwaschküche hat man gut sichtbar eine Sammelstelle eingerichtet. Pro Station: neun durchsichtige GN-Gefässe, ein jedes bestimmt für eine Lebensmittelgruppe. Der Mittagsservice ist eben vorüber. In der Produktionsküche sind die Behälter relativ spärlich gefüllt. Ausser bei den Früchten: eine grössere Menge Erdbeeren. Adam ist unzufrieden. «Es schmerzt, das zu sehen.» Was ist passiert? «Entweder hat jemand zu viele Erdbeeren bestellt oder die Früchte kamen bereits überreif. Die können wir nicht mehr verarbeiten – nicht einmal mehr zu Shakes oder zu Fruchtsauce. Die Früchte würden anfangen zu gären, und das dürfen wir unseren Patientinnen und Patienten nicht servieren.» So wie der Anblick der Erdbeeren den Küchenchef schmerzt, lässt er auch die Mitarbeitenden in der Küche nicht kalt, berichtet man uns. «Und genau das ist der Sinn der durchsichtigen Gefässe und dieser Art der Messung», erklärt Adam. «Alle Erhebungen und Massnahmen nützen nichts, wenn die Mitarbeitenden nicht ins Boot geholt werden. Sie sind es, die am Ende die Massnahmen umsetzen müssen.»

In einem anderen Raum sind Mitarbeitende dabei, die Tellerwagen aus den Spitalstationen auszuräumen. Auch hier werden alle Essensreste getrennt und gesammelt. Sind die Teller leergeräumt, werden die gesammelten Essensabfälle gewogen und die Ergebnisse nach Kategorien in eine Tabelle eingetragen. Diese Daten wiederum werden später in den digitalen Waste Tracker von Foodways eingegeben. 28 Tage lang werden so die Daten gesammelt, die die Software auswertet und anhand derer man schlussendlich genau sehen kann, wo wie viel wovon an Foodwaste anfällt. Darauf aufbauend, formulieren Pabst und die Fachleute von Foodways einen detaillierten Report und Massnahmeempfehlungen. Diese werden in einem Workshop dem Küchenteam sowie der Leitung von Patientenhotellerie und Service vorgestellt und dann gemeinsam zu einem konkreten Massnahmeplan ausgearbeitet.

Schon jetzt aber kann man in den Tabellen ablesen, dass es am Morgen des aktuellen Tages insgesamt 21 Kilogramm Tellerrückläufe gegeben hat. Und das, obwohl man bereits nach der ersten Messung diverse Massnahmen ergriffen hat, um diese Rückläufe zu verringern. Die Patientinnen und Patienten können beispielsweise neu die Hälfte eines Brötchens bestellen, was rege genutzt wird. Oder man serviert für einen Milchkaffee nur noch einen Drittel so viel warme Milch wie zuvor. Eine Massnahme, die viel bewirkt und absolut niemanden stört. Und dennoch, so Adam, seien die 21 Kilogramm noch viel zu hoch: «Wir haben es hier im Haus leider auch mit einer Art Zielkonflikt zu tun. Denn die Massnahmen gegen den Foodwaste lassen sich nicht so einfach mit dem Auftrag vereinbaren, den das Haus als Spital für betagte Menschen hat. Wir haben den medizinischen Auftrag, diese Menschen so gut wie möglich mit Kalorien und Nährstoffen zu versorgen. Wir dürfen leider nicht einfach beliebig die Portionen verkleinern, obwohl das ein besonders wirkungsvolles Mittel gegen solche Tellerrückläufe wäre.» Doch motiviert räumt er ein: «Das ist allerdings kein Grund, nicht mit Herzblut am Thema dranzubleiben. Umso mehr, als die Optimierungsprozesse, die das Tracking von Foodwaste anstösst, kaum je abgeschlossen sind. Das ist etwas, an dem man konstant dranbleiben muss.»

Gut beraten
Der Food-Save-Management-Prozess von Foodways setzt auf visualisierte Messungen, auf individuelle Massnahmenpläne und auf eigenverantwortliche Betriebe. In den letzten drei Jahren hat das Umweltberatungsunternehmen rund 160 Betriebe auf dem Weg zu weniger Lebensmittelabfällen gecoacht. Ziel des eng begleiteten und individualisierten Prozesses ist es, Lebensmittelabfälle durch die Vermittlung von Wissen und einen objektiven Blick auf die täglichen Prozesse möglichst einfach zu reduzieren sowie nachhaltig tief zu halten. Die Kosten für einen Durchlauf des Food-Save-Management-Prozesses belaufen sich ohne ein kantonal subventioniertes Projekt im Hintergrund auf rund 8000 Franken. Mit Subventionen kann sich dieser Beitrag je nach Betriebskategorie auf 4000 bis 1500 Franken reduzieren. Subventioniert wird das Projekt momentan vom Amt für Umwelt des Kantons Basel-Stadt sowie dem Netzwerk für Ressourceneffizienz Reffnet.
foodways.ch