«Ein Klassiker ist der versäumte Nachverkauf.»
Sie bieten unter anderem Mystery-Checks für Restaurants und Hotels an. Welche Art von Betrieb engagiert verdeckte Tester, um seiner Brigade auf den Zahn zu fühlen?
Kurt Schempp: Beim Mystery-Check werden nicht Mitarbeiter überprüft, sondern Abläufe. Das Ziel ist es, den Betrieb als Ganzes voranzubringen, da dienen Leistungsbewertungen für Einzelpersonen weder der Sache noch dem Team. Im Bereich Gastronomie sind unsere Kunden meist Restaurantketten oder Betriebsgruppen. Sie engagieren uns, weil sie wissen möchten, ob das, was sie sich auf die Flagge schreiben, beim Gast ankommt, ob er ihre Philosophie überhaupt wahrnimmt. Es geht darum, das eigene Profil im Markt zu schärfen – und über diesen Weg den Umsatz zu steigern. Mit der Individualgastronomie haben wir es in diesem Bereich kaum zu tun.
Warum nicht?
Weil es kleineren Betrieben an Ressourcen mangelt. Erstens setzen Konzepte, die von A bis Z wasserdicht daherkommen sollen, hohe Marketingkosten voraus. Zweitens funktionieren sie nur mit einem wirksamen Qualitätsmanagement – dafür bringt ein einziger Check nicht viel. Damit der Betrieb Handlungsbedarf orten und Verbesserungsmassnahmen überprüfen kann, sind wiederholte Tests und Schulungen nötig.
Was ist mit weniger finanzstarken Gastronomen, die ihren Betrieb einmal unter der Lupe sehen wollen?
Auch für sie gibt es Möglichkeiten, etwa im Rahmen einer Standortbestimmung. Der sogenannte Mirror-Check ist eine Momentaufnahme mit nachfolgender Schulung. Vorgängig informiert uns der Gastronom, welche Schwerpunkte er bearbeiten will, entsprechend legt der Tester seinen Fokus. Das verlangt nach geschulten Leuten: Wir arbeiten ausschliesslich mit Testern zusammen, die Führungserfahrung in der Gastronomie- oder Dienstleistungsbranche haben. Das Team vor Ort kennt den Tester nicht, weiss aber Bescheid, dass jemand kommt. Für die Schulung bestimmt der Gastgeber wie gesagt selbst die Inhalte, die wir mit dem Team anhand der Testsituation, aber auch allgemein aufgreifen. Das Ziel ist, blinden Flecken im Betrieb auf die Spur zu kommen. Da kämpfen übrigens alle Gastronomen mit ähnlichen Schwächen.
Nämlich?
Rund ein Drittel dieser «Fehler» passieren in der Kommunikation mit dem Gast. Ein Klassiker ist der versäumte Nachverkauf. Beim Mystery-Check hat der Tester unter anderem den Auftrag, während der Vorspeise sein Getränk leer zu trinken. Unsere Auswertungen zeigen, dass der Service in fast 50 Prozent der Fälle nicht nachfragt, ob der Gast noch etwas zu trinken möchte. Die Daten belegen auch, dass ein Drittel dieser Gäste gern ein weiteres Getränk bestellt hätte. Für einen Betrieb, der pro Tag 80 Mittagessen ausgibt, bedeutet dies, dass ihm dadurch 26 zusätzlich verkaufte Softgetränke durch die Lappen gehen. Das rechnet sich. Trotzdem: Solche Fehler sind kein Beleg für schlechte Arbeit.
Sondern?
Sie sind nachvollziehbar. Wenn ich als Servicemitarbeiter an den Tisch komme, ist mein Auge auf den Gast gerichtet und hat automatisch sein Gesicht im Fokus. Das ist ein natürliches Verhalten, wenn wir unserem Gegenüber aufmerksam begegnen wollen. Ich frage, ob es geschmeckt hat, komme ins Gespräch, der Gesichtsfokus bleibt, nebenher räume ich ab – schon wird das leere Glas übersehen. Solche Versäumnisse sind leichter zu vermeiden, wenn wir bewusst auf gewisse Dinge achten. Hier spielt auch die nonverbale Kommunikation eine grosse Rolle.
Was ist dabei wichtig?
Sie sollte einladend sein. Überlegte der Gast rational, würde er sich mit dem Sandwich verpflegen. Ins Restaurant kommt er fast ausschliesslich aus emotionalen Gründen. Als Gastgeber ist es meine Aufgabe, ihn in seiner Entscheidung, sich etwas Gutes zu tun, zu bekräftigen.
Wie mache ich das?
Wir entscheiden innert Sekundenbruchteilen, ob uns das Gegenüber wohlgesinnt ist. Damit wir Nähe herstellen können, muss der Körper Offenheit signalisieren: durch eine aufrechte und im Gespräch leicht nach vorn geneigte Haltung, Lächeln und Blickkontakt etwa. Essen ist eine emotionale Geschichte. Wir verbinden damit Eindrücke, die unser Hirn seit frühester Kindheit abgespeichert hat, und das Gefühl des Umsorgtseins spielt dabei eine zentrale Rolle. Wer denkt, der Gast melde sich von selbst, wenn er etwas brauche, hat das nicht verstanden. In unseren Servicechecks und Coachings spielen solche Themen eine grosse Rolle.