«Am Ende ist alles in der Villa Hundert ein gemeinsames Produkt.»
Sie beide scheinen hier enorm viel Spass zu haben. Ist das immer so?
John Jezewski: Die einfachste Antwort darauf lautet: nein. Wir erleben täglich beides: extreme Freude, aber auch Dämpfer. Momente, in denen wir das Ganze ziemlich hart finden. Was wir tun, ist sehr viel Arbeit – aber jede Minute, die wir in die Villa Hundert stecken, kommt von Herzen und aus tiefster Seele.
Christian Brangenfeldt: Dabei ist Fun quasi die Bassline.
Wie meinen Sie das?
Brangenfeldt: Für John und mich ist Spass sehr wichtig. Dass wir ihn auch in unsere Arbeit einbringen, färbt nicht zuletzt auf unsere Gäste ab. Haben wir Fun, haben sie Fun! Aber klar, dabei ist das Gleichgewicht entscheidend. Wenn wir einfach in der Küche stehen, Wein trinken und uns amüsieren, ohne etwas für die Gäste zu tun, hat am Ende niemand mehr Spass. Ich glaube, wenn es um die Arbeit und um unser Angebot geht, ist es uns beiden eigentlich todernst. Dafür geben wir alles, wir öffnen unsere Herzen und lassen sogar zu, dass uns das regelrecht verletzlich macht. Denn nur auf diesem Weg erreichen wir, was für uns so wichtig ist.
Was ist das?
Jezewski: Ehrlichkeit. Wir geben nicht vor, irgendwas zu wissen oder zu können, sondern bieten einfach an, was wir haben. Wir sind an diesem wunderschönen Ort in diesem wunderschönen Haus, fühlen uns hier daheim und lieben die Umgebung – all das spiegelt sich in unserem Tun.
Sie und die Villa Hundert, das passe perfekt zusammen, sagen Sie. Erzählen Sie doch bitte, wie es dazu kam.
Brangenfeldt: Nachdem John und ich ein paar Jahre hier in Engelberg gearbeitet hatten, beschlossen wir, es sei an der Zeit, gemeinsam unser eigenes Ding zu machen. Zwischen uns gibt es viele Synergien, wir teilen eine Philosophie, eine Vision, unsere Werte. Also suchten wir ein Lokal, bis nach Luzern runter.
Jezewski: Die Villa Hundert liegt direkt am Wanderweg, und wir waren beide immer wieder einmal daran vorbeigegangen, kannten das Haus allerdings nicht so wirklich. Bis ein Freund mir davon erzählte und mir dieses etwas versteckte Juwel genauer zeigte. Kurze Zeit darauf reichten Christian und ich unser Konzept ein.
Brangenfeldt: Drei Monate später fand die Schlüsselübergabe statt. Es ging alles sehr schnell, weil es auf Anhieb stimmte. Auch mit Anna Lisa Braun von der Eigentümerschaft. Wir merkten gleich, dass wir zu dritt gut funktionieren, und führen die Villa Hundert nun gemeinsam. Anna Lisa war auch fürs Design des Hauses zuständig, das perfekt zu unserem Konzept passt.
Wie ist dieses definiert?
Brangenfeldt: Das ist die Eine-Million-Dollar-Frage. In aller Kürze: Wir wollen den Gästen etwas bieten. Unser Produkt ist nicht nur einfach ein Essen.
Sondern?
Brangenfeldt: Wir bieten ein Gesamterlebnis an, das zwischen drei und 72 Stunden dauert – je nachdem, ob die Gäste bei uns übernachten. In der Villa Hundert können sie dem Alltag entfliehen und entspannen. Johns Gerichte sind äusserst verspielt und kreativ – und sie lassen Raum für Gespräche. Das finde ich persönlich wichtig: Die Leute müssen nicht übermässig fokussiert sein, um das Essen zu verstehen. Die Kreationen sind zugänglich, auch wenn sehr viel dahintersteckt. Wer sich dafür interessiert, kann tiefer eintauchen.
Jezewski: Wir versuchen, in jedes Gericht ein unerwartetes Element einzubauen, das unsere Handschrift trägt, aber nicht abgehoben ist. Die Gäste sollen Spass haben, und es wirkt ganz so, als hätten sie den auch.
Wie schreiben Sie Ihr Menü?
Jezewski: Die meisten Ideen dafür stammen von mir, aber ich präsentiere sie dem Team in einem sehr frühen Stadium. Danach arbeiten wir gemeinsam daran. Wir sind wie eine Band: Jemand schreibt die Melodie, jemand die Lyrics, und es braucht auch den Schlagzeuger und die Bassistin, um den Song fertigzustellen. Alle bringen ihre persönliche Note ein und tragen zum Resultat bei. So gesehen, ist ein Essen bei uns wie ein Konzert – auch die Abfolge der Gerichte zählt.
Brangenfeldt: John ist zwar der Küchenchef, aber ich fände es seltsam, nicht am Menü beteiligt zu sein. Zumal ich ja Erfahrung in der Küche mitbringe – und leidenschaftlich mit Lebensmitteln arbeite. Ich kuratiere den Wein, produziere aber auch eigene Essige und Wermut oder mache Hummus, Senf und Konfitüren fürs Frühstück. Am Ende ist alles in der Villa Hundert ein gemeinsames Produkt.
Dabei scheuen Sie keinen Aufwand, kreieren Gerichte, für die es zig Handgriffe braucht. Wo liegt Ihre Grenze?
Jezewski: Ich glaube, dass wir diese seit unserem Start hier permanent überschreiten. Mir fällt es generell schwer, meine Grenzen zu erkennen – und einzuhalten.
Brangenfeldt: Wobei man sagen muss, dass wir uns in einem sehr engen Rahmen bewegen. Nur schon personell, mit drei Leuten in der Küche, sind wir stark limitiert. Und auch unsere Philosophie gibt klare Grenzen vor: Wir arbeiten ausschliesslich mit Schweizer Lebensmitteln, richten uns konsequent nach der Saison und sammeln, ernten und produzieren selbst, was immer wir können. Gleichzeitig öffnen diese Limiten ganz viel Raum für Kreativität. Aber klar: Wenn wir eine Brigade mit zehn Leuten hätten, die gratis arbeiten, wie das in anderen Lokalen mit ähnlichen Konzepten der Fall ist, könnten wir natürlich noch viel mehr machen.