Man sollte beim Thema Whisky nicht allzu sehr in Schablonen denken.
Über die Trink- und Esssitten der verstorbenen Queen Elizabeth II. drang immer wieder etwas in die Öffentlichkeit. Angeblich genehmigte sich Her Majesty gern einen Mix aus Gin und Dubonnet, also einen feinen Aperitifcocktail. Das kann man nur als halbwegs britisch bezeichnen: Dubonnet wird in Frankreich hergestellt. Allerdings kann ja auch die eifrigste Britin nicht ihr ganzes Leben lang strikt Britisches konsumieren. Oder doch? Echte Whisky-Sammler würden mit dem Kopf nicken und darauf hinweisen, dass es noch nie zuvor in der Geschichte dermassen viele Malt-Sorten gegeben habe. Kritikerinnen indes würden sich an die Stirn tippen und höflich anmerken, dass viele dieser Abfüllungen für Normalverdiener – gut, dazu gehörte die Queen nicht – kaum erschwinglich seien.
Bei Balvenie gibt es zum Glück vieles, sowohl Preiswertes als auch Luxuriöses. Von Schloss Balmoral, in dem die oberste Britin ihren letzten Lebenshauch tat, ist es nur ein Katzensprung bis zur Brennerei, ein paar Kilometer. In puncto Geschichte kann sich das Unternehmen zwar nicht mit den ältesten Anlagen Schottlands messen, in Bezug auf die Kreativität aber schon. Anno 1892 begann William Grant mit dem Bau der Brennerei, heute ist Malt Master David C. Stewart zuständig für alles, was mit Geschmack zu tun hat. Weil der Mann, längst eine Legende unter den schottischen Whisky-Blendern, sein 60-Jahre-Jubiläum (!) feiert, wird demnächst in würdigem Rahmen ein 60 Jahre alter Whisky präsentiert. Eine Rarität, die zu probieren manchem Sammler und mancher Sammlerin ein halbes Vermögen wert wäre.
Einstweilen müssen diese sich aber mit dem 16-jährigen Malt French Oak begnügen, einem Whisky, der in Fässern reifte, die mal Pineau des Charentes enthielten, jenen Likörwein, der aus Traubenmost und Cognac hergestellt wird und ausserhalb Frankreichs ein Schattendasein führt. Ist mal was anderes, mag der eine oder andere Marketingexperte der grossen Brennerei gedacht haben. Tatsächlich schmeckt der 16-Jährige von Balvenie prima, bekommt den Dreh hin zwischen rauchiger Würze und dezenter Frucht, ist weder aufdringlich noch langweilig. Da kann man sich schon mal mit dem Preis, für den man auch eine Flasche feinsten italienischen Rotwein bekäme, anfreunden. Doch ist Alter beim Whisky tatsächlich immer alles? «Ich halte das für einen ganz blöden und überflüssig teuren Irrglauben», sagt dazu die Berliner Whisky-Expertin Juliane Reichert. Es komme total auf den Whisky an, ob er eine bestimmte Reife vertrage. «Ausserdem kann man auch mit jungen Whiskys tolle Vermählungen herstellen.»
Man muss sich halt nur ein bisschen auskennen, um Schnäppchen zu machen. So wie bei Ardbeg, einer der kultigsten Brennereien Schottlands. Befindet sich Balvenie in der Region Speyside, gut mit dem Auto zu erreichen, muss ich den Flieger ab Glasgow nehmen, um nach Islay und zu Ardbeg zu kommen. Gerade mal neun Brennereien existieren auf der Insel, und die Kennerinnen und Kenner streiten sich, ob man zuerst Laphroaig und dann erst Lagavulin nennen sollte oder ob Ardbeg gleich hinter den mythenumwobenen Luxus-Whiskys von Port Ellen rangiert.