Der alleinreisende Gast ist in bester Gesellschaft. Laut einer schweizweiten Erhebung von Hotelleriesuisse nächtigten letztes Jahr 45 Prozent aller Hotelgäste in einem Einzelzimmer. In den Stadthotels lag die Quote sogar noch höher, nämlich zwischen 60 und 70 Prozent, derweil in ländlichen Ferienhotels deutlich mehr Doppelzimmer gebucht wurden.
Gründe, allein zu reisen, gibt es unzählige. Die Geschäfte zum Beispiel, die regelmässig einen Kurztrip in die Schweiz erforderlich machen, oder das Schwarzgeld, das diskret verwaltet werden muss und von dem niemand etwas mitkriegen soll. Vielleicht spioniert man aber aber auch einfach nur seiner offiziell ohne Begleitung reisenden Ehefrau hinterher, versucht, in Ruhe einen Roman zu schreiben, oder fühlt sich schlicht wohler, ganz allein mit sich selbst. Die Frage ist: Wie geht die Gastronomie mit dieser Art Gast um?
Einer, der sich damit bestens auskennt, ist der Chef Concierge Jérémy Varry vom Fünf-Sterne-Hotel Baur au Lac in Zürich. «Wir haben relativ viele Alleinreisende, die meisten sind geschäftlich hier, verbringen den Tag im Büro, gehen abends rasch joggen und bestellen dann Roomservice.» Bei diesen Gästen müsse alles sehr schnell gehen. Wenn trotzdem jemand in der Stadt essen möchte, empfiehlt Varry jeweils ein möglichst lebendiges Restaurant, etwa die «Kronenhalle» oder ein Zunfthaus, auf jeden Fall einen Ort, «an dem es etwas zu sehen gibt.»
Sepp Wimmer, Wirt im Zürcher Zunfthaus zur Waage, betreut regelmässig Einzelgäste und geht dabei unterschiedlich vor. «Wenn jemand alleine speisen will, ist das kein Problem.» Ist allerdings der Platz knapp, setzt er auch schon mal zwei Einzelgäste zusammen. Eine heikle Angelegenheit, die viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung erfordert. «Tischmanagement» nennt es Wimmer mit einem Augenzwinkern. «Das ist die Champions League der Gastronomie, einfach nur Essen und Trinken verkaufen, das kann doch jeder.»
Das unkomplizierte Zusammensetzen von Gästen kennt Wimmer aus seiner Kindheit. «Ich bin in einem österreichischen Wirtshaus aufgewachsen, bei uns war es ganz normal, dass man unterschiedliche Gäste zueinander hinsetzt.» In der Schweiz sei diese Kultur nicht vorhanden. «Die Schweizer sind ja auch im Zugabteil lieber alleine, das ist einfach so.» Wimmer entscheidet jeweils spontan, ob er zwei sich unbekannte Gäste an den gleichen Tisch setzen will. Sehr oft komme das nicht vor, gibt er zu. «In jedem Fall muss man beiden Gästen die Gelegenheit lassen, abzulehnen.» Niemals ein Problem sei das übrigens mit Amerikanern. «Die kann man immer zusammensetzen, Russen hingegen nie.