Manchmal reichen bereits Details, um das Ziel zu erreichen.
Am Wissens- und Netzwerkanlass SVG-Input halten Sie ein Referat unter dem Titel (Str-)essen. Worum gehts?
Ronia Schiftan: Ich behandle mehrere Aspekte des Themas Stress. Zum Beispiel die Frage, wie Arbeitsbedingungen und Umgebungsfaktoren unser Essverhalten positiv oder negativ beeinflussen. Gestresste Mitarbeitende wählen ganz anders aus, haben andere Bedürfnisse.
Sie unterscheiden drei Wege, wie Stress unser Essverhalten beeinflusst.
Genau. Da wäre die physiologische Ebe-ne. Bei Stress schüttet unser Körper Hormone aus, Adrenalin oder Kortisol zum Beispiel. Das bringt grosse Auswirkungen mit sich, der Blutzucker wird etwa nicht mehr richtig verarbeitet, eine tiefe Atmung können Sie vergessen und auch die Verdauungsaktivität reduziert sich. Dann beeinflusst uns Stress auch auf einer emotionalen Ebene. Und da spielt Essen eine wichtige Rolle, als Gefühlsregulator. Viele Menschen haben gelernt, sich damit zu belohnen. Anderen verschlägt es den Appetit. Die dritte Ebene ist die Zeitverknappung, wir kochen weniger, essen mehr Convenience Food oder essen schneller.
Welche Schlüsse daraus ziehen Sie für die Gemeinschaftsgastronomie?
Letztlich geht es darum, eine entspannte Atmosphäre für die Gäste und – ganz wichtig – die Mitarbeitenden zu schaffen. Einen Ort, an dem man gerne isst und arbeitet. Und da sehe ich in der Gemeinschaftsgastronomie sehr viele kreative Möglichkeiten. Das erreicht man zum Beispiel mit architektonischen Lösungen, dann gilt es, Lärm und Licht zu beachten. Aber auch mit der Konzeption von Menüs und Verkaufsflächen kann man Menschen abholen. Manchmal reichen bereits Details, um das Ziel zu erreichen.
Sie plädieren für das sogenannte Nudging. Was ist das?
Der Begriff stammt aus dem Englischen und bedeutet in diesem Kontext so etwas wie: positiv anstupsen. Es geht darum, den Gast mit klugen Massnahmen, aber ohne Zwang dazu zu bringen, etwa die gesundheitsförderndere Wahl zu treffen. Nudging hat immer etwas Spielerisches.
Zum Beispiel?
Wenn man etwa beschliesst, weniger Süssgetränke zu verkaufen, da sie nicht gesund sind, reicht es oft, diese örtlich so zu platzieren, dass es für den Gast einfacher ist, zum Wasser zu greifen. Es kommt immer darauf an, welches Verhalten angestrebt wird. Je nach Fragestellung braucht es andere Massnahmen. Ich will in meinem Referat aufzeigen, wie wir Menschen Entscheidungen treffen. Ein gesundes Menü wird beispielsweise oft als langweilig und nicht lecker wahrgenommen. Auch ein Label wiederum beeinflusst unsere Wahrnehmung. Diese Erkenntnisse sollten Gemeinschaftsgastronomen nutzen.