«Ich möchte, dass mein Gast die Aromen separat kosten und selber kombinieren kann.»
Sie verantworten zu zweit die Küche für zwei Restaurants mit total 80 Plätzen. Wie, bitte schön, schaffen Sie das?
Hansjörg Ladurner: Das ist eine Frage der Organisation. Im Sommer, wenn das Carn & Caschiel geschlossen ist, sind mein Souschef René Bissig und ich tatsächlich nur zu zweit, im Winter haben wir einen Hilfskoch, einen ehemaligen Abwäscher, den wir so weit angelernt haben, dass er manches vorbereiten und anrichten kann. Zudem teilen wir uns einen Abwäscher mit den Restaurants im Haupthaus des Schweizerhofs. Von den Besitzern Claudia und Andreas Züllig werden wir sehr gefördert und unterstützt, aber am Ende müssen wir effizient arbeiten. Darum pfuschen wir uns nicht rein: Jeder ist für seine Gerichte verantwortlich, von der Mise en place bis zum Anrichten. Und wir bereiten viel vor, kochen allerlei ein, Chutneys und alles Mögliche, das wir im Winter verarbeiten können.
Chichi sucht man auf Ihren Tellern vergeblich, dafür malen Sie auf alle einen Strich. Warum?
Der Strich ist der rote Faden unserer Küche; er ist ein Dekoelement, passt aber immer auch geschmacklich zum Gericht. Wir entsaften beispielsweise die Abschnitte und Schalen der Rande oder die äusseren Blätter und den Strunk des Rotkohls – da gehts nicht nur um die Farbe, sondern eben auch ums Aroma. Die Säfte sind immer abgeschmeckt. Das Ganze ist natürlich auch eine Form der Abfallverwertung, ausserdem will ich den Teller effektiv teilen, weil ichs nicht mag, wenn die Aromen vermischt sind. Ich möchte, dass mein Gast sie separat kosten und selber kombinieren kann.
Dabei setzen Sie nicht auf ein klassisches Menü, sondern auf Degustationsteller, die der Gast nach Lust und Laune kombiniert. Was steckt dahinter?
Wir servieren jeweils rund ein Drittel einer normalen Portion und unterscheiden keine Vor- und Hauptspeisen. Der Gast wählt die Anzahl der Gänge und die Reihenfolge frei. Wir empfehlen drei bis vier Teller, aber gerade älteren Menschen reichen oft zwei, während andere derart Spass haben, dass sie sechs oder sieben bestellen. Und während insbesondere jüngere Frauen total auf eigentliche Vorspeisen stehen und davon drei Teller bestellen, ordert ein anderer zum gleichen Preis dreimal einen Fleischgang. Oder drei Desserts. Für uns gehts in dieser Mischrechnung auf. Und die Gäste lieben das Konzept. Kürzlich bestellte eine Dame tatsächlich vier Gänge Dessert.
Und?
Als fünften Gang nahm sie dann doch noch den Käse (lacht). Andere wiederum beginnen mit dem Käse. Warum nicht? Es gibt Kombinationen, von denen wir abraten, etwa wenn ein Gericht so intensiv ist, dass es sich als Start in den Abend nicht eignet. Beim Schreiben der Karte ist die Schwierigkeit, dass jedes Gericht mit jedem anderen harmonieren, aber auch in jeder Reihenfolge einen Kontrapunkt setzen soll.
Wie kreieren Sie Ihre Gerichte?
Oft entstehen sie spontan, aus den Produkten, die vorhanden sind, wenn ich draussen bin. Ich kann sehr gut Kräuter suchen, während ich Pilze konsequent übersehe. Wenn sie einen Meter gross wären und winken würden, sähe ich sie vielleicht ... aber sonst? Keine Chance. Dafür finde ich anderes. Einmal spazierte ich in Ftan und sah am Horizont schwarze Kühe, die mich interessierten. Ich fand heraus, dass es sich um Wasserbüffel handelt. Es dauerte eine Weile, bis ich wusste, wem sie gehören, und nochmals eine Weile, bis ich das Fleisch bekam. Mit dem Metzger Hatecke vereinbarte ich, dass ich von den drei Tieren, die geschlachtet wurden, jeweils die Brust nehme. Dafür bekam ich auch noch ein edleres Stück, eine Unterspälte, die ich bei meinem Fleischtrockner Jörg Brügger in die Verarbeitung gab.
Das klingt nach einer ziemlichen Dealerei.
Das ist es. Ich kaufe, wenn möglich, ganze Tiere, lebend, und übergebe sie einem Bauern zur Aufzucht. Bruno Hassler hielt für mich unter anderem Diago, das schottische Hochlandrind, das wir am 11. November schlachten liessen und das bei der Metzgete am 17. Dezember im Mittelpunkt steht. Wenn ich einem Bauern kein ganzes Tier abnehme, kann ich auch nicht nur die edlen Teile davon haben. Die Mischung machts, das ist Verhandlungssache. Einen ganz anderen Deal habe ich mit Jörg Brügger: Ich lasse bei ihm mein Ochsenentrecôte trocknen, eine wunderbare Geschichte, aber teuer. Pro Kilo zahle ich beim Metzger 58 Franken, der Gewichtsverlust beim Trocknen ist mit 60 Prozent überdurchschnittlich, das ergibt einen Einstandspreis von 120 Franken – wobei Jörg Brügger daran noch keinen Rappen verdient hat. Zum Glück kann ich seine Arbeit mit meiner Sauerrahmglace abgelten, die er so mag. Die Rechnung ist simpel. Es muss auf der ganzen Linie wirtschaftlich sein, beide Seiten müssen gewinnen.