«Für mich gilt die Devise: Weniger ist mehr.»
Drei Jahrzehnte erfolgreiches Kochen und Wirtschaften – wie fühlt sich das an?
Arno Sgier: Wenn ich endlich zum Durchatmen komme, fühlt es sich gut an. Nach all den Jahren stehe ich noch immer morgens um neun Uhr am Herd – tagein, tagaus. Es ist das, was mich ausmacht. Im Büro sitzen und das Tageswerk delegieren: Das bin nicht ich. Manche Arbeit geht zwar nicht mehr so einfach wie früher, aber ich habe die Dinge schon immer entweder ganz oder gar nicht gemacht. Diese Arbeitshaltung wurde wohl von meiner Kindheit auf dem Bauernhof in Surin geprägt.
Sie haben in Ihrer Karriere viel erlebt: wechselnde Trends, zunehmende Konkurrenz, die Digitalisierung, eine Pandemie, den Fachkräftemangel… Wie hält man stets die Ohren steif?
Das klingt sehr dramatisch, aber sehen Sie, ich habe meinen Betrieb über Jahre aufgebaut, entsprechend hält er auch einigem stand. Wir sind kein Pop-up, das kommt und wieder geht. Wenn man so lange wirtschaftet, kann man viele Entwicklungen antizipieren. Und ich habe fantastische Mitarbeitende. Logisch, die Pandemie beispielsweise war nicht lustig. Aber sich zu beschweren, das kommt für mich nicht in Frage. Ich habe nie verstanden, warum manche Menschen immer jammern. Dafür geht es uns in der Schweiz viel zu gut. Jede Krise ist auch eine Chance, etwas daraus zu machen. Beim Fachkräftemangel bedeutet das etwa, dass wir halt auch selber Berufseinsteiger und -einsteigerinnen ausbilden.
Wie hat sich die Gastronomie in diesen Jahren verändert?
Es gibt ein Thema, das mich beschäftigt, und das ist die steigende Erwartungshaltung der Gäste. Wir bieten unseren Gästen eine Dienstleistung an, im Gegenzug erwarte ich ein faires Verhalten uns gegenüber. Wenn Gäste in letzter Minute absagen oder gar nicht auftauchen, stört mich das schon. Ich glaube, viele verstehen nicht, wie viel Aufwand in unserer Arbeit steckt. Auch dass man vermehrt Alternativen anbieten soll, also neben einem Fleisch- und einem vegetarischen Menü, auch noch laktosefreie und vegane Alternativen… Der zusätzliche Aufwand, der bei einem Mehrgänger mit vielen Komponenten entsteht, ist immens. Manche Gäste sind dann auch nicht konsequent und wollen in diesem oder jenen Gang dann doch wieder etwas anderes. Ich würde mir etwas mehr Entgegenkommen wünschen.
Sie halten seit vielen Jahren 17 Gault-Millau-Punkte und einen Michelin-Stern. Gewöhnt man sich an diese Lorbeeren oder ist man stets auf den Erfolg bedacht?
Ich schätze beide Institutionen sehr, denn sie bringen mir eine Klientel, die sonst wohl nicht kommen würde. Und die Punkte und Sterne interessieren einen durchaus auch nach all den Jahren noch. Aber das Wichtigste ist das Feedback der Gäste. Wenn ich höre, dass diese zufrieden sind, selbst wenn ich immer wieder Neues ausprobiere, bin ich glücklich. Wenn ich je stagnieren würde, müsste ich aufhören.