Zu sehen war auf der Bühne extrem ausgereiftes Handwerk.
Wenn man Rasmus Munk heisst, sieht die Zukunft so aus, dass man weit über 5000 Personen auf der Warteliste für ein Dinner in seinem Lokal stehen hat. Verrückt – und verrückt ist auch Munks Konzept, das man nicht mehr als Restaurant bezeichnen kann: Mit einem 130-köpfigen Team eskaliert das auf eine Dauer von acht Stunden angelegte Dinner zu einer immersiven Ganzkörpererfahrung. «Wir beschäftigen sogar einen Drehbuchschreiber, der die Skripts zum Service der Gerichte verfasst», sagte Munk auf der Bühne des Kursaals von San Sebastián, während er eines seiner bereits legendär abgefahrenen Gerichte zubereitete.
Zukunft findet in Kopenhagen statt
Munks kulinarische Kreationen haben es in sich. Das bewies der Küchenchef des Alchemist in Kopenhagen unlängst auch im baskischen San Sebastián. Im Rahmen der 25. Ausgabe des Kongresses Gastronomika, die dort im Oktober stattfand, zeigte er, wie er für einen Gang namens «Hunger» fein aufgeschnittenes, 24 Stunden lang getrocknetes Kaninchenfilet auf einem verkleinerten menschlichen Brustkorb-Gerippe drapiert. Parallel wurde den rund 200 registrierten Teilnehmerinnen und Teilnehmern am Kongress ein getrockneter Schmetterling auf einem leicht gesüssten Laubblatt gereicht. Lammhirn, Hühnerfüsse und Luftröhre vom Schwein gehören ebenfalls zum pädagogisch aufgeladenen Menü. Zur Entspannung werden die Gäste zum Herumtrolen in den Freedom Room gebeten – das ist ein Bällebad wie bei Mc Donald’s, denn, so Munk: «Dort habe ich mich im Alter von sieben Jahren zum letzten Mal wirklich frei gefühlt.» All das ist gleichermassen nervig und unverfroren sowie aufregend und herausfordernd. Und so gesehen das, was die Küche von heute können muss.
Perfekte Technik ist Luxus
Die spanische Kochcommunity lieferte an der 25. Edition des Gastronomika in San Sebastián ebenfalls tolle, wenn auch nicht gleichermassen verrückte Ideen ab. So zum Beispiel der mit drei Michelin-Sternen dotierte Eneko Atxa vom Restaurant Azurmendi in der Nähe von Bilbao: Er ist ein kochender Poet und zeigte in seiner Präsentation auf, wie man die Liebe zur Natur in ein kulinarisches Erlebnis verwandelt. Insgesamt erinnerten sein Auftritt wie auch seine Person an den aktuellen Shootingstar der Schweizer Kochszene Dominik Hartmann vom Magdalena in Rickenbach. Mit Oriol Castro vom Disfrutar in Barcelona stand ausserdem einer der erfolgreichsten Schüler und der ehemalige Souschef von Ferrán Adriá im legendären El Bullí auf der Gastronomika-Bühne. In seinem Rückblick auf die ersten zehn Jahre Disfrutar skizzierte Castro, wie sich Spaniens Küche weiterentwickelt hat, seit das El Bullí 2011 geschlossen worden war. Zu sehen war auf der Bühne extrem ausgereiftes Handwerk: Castro und sein Team haben sich darauf verlegt, hochkomplizierte Arten der Zubereitung zu überraschenden Gerichten zu kombinieren. Es gibt tiefgekühlte oder alkoholische Espumas, Meringue sous-vide oder aber traumhaft schön geschnittene Gemüse-Sashimi. Texturielle Hilfsmittel wie Xanthan oder Alginat für Sphärifikationen kommen derweil nur noch vereinzelt zum Einsatz.