«So wie ein Koch seine Teller anrichtet, inszeniere ich Fleisch. Ich will seine Schönheit zeigen.»
Die Metzgerei Hatecke ist längst ein fester Wert im Bündnerland. Seit Juli letzten Jahres führen Sie nun auch in Zürich einen Laden. Warum?
David Hatecke (DH): Im Unterengadin ist die Saison sehr kurz, in St. Moritz noch kürzer. Im April, Mai oder Juni ist es da oben ziemlich einseitig, nicht nur zum Arbeiten, sondern auch zum Leben. Da gibts für einen Mittzwanziger wie mich dann ehrlich gesagt bessere Orte ...
Also haben Sie den Schritt ins Unterland für Ihren Sohn gemacht?
Ludwig Hatecke (LH): Ein bisschen vielleicht. Wir arbeiten hier oben ja in so einer Art geschützter Werkstatt.
Wie meinen Sie das?
LH: Im Engadin können wir im Prinzip tun, was wir wollen. Mal von den Einheimischen abgesehen, kommen die Leute während der Saison, egal, wie gut wir unsere Arbeit verrichten. Und ausserhalb der Saison können wir einen Superjob machen – haben aber trotzdem kaum Kundschaft. In Zürich ist das anders: Hier gibts Konkurrenz, sehr, sehr gute Mitbewerber. Hier können wir uns messen und tatsächlich spüren, wie gut unser Angebot ankommt. In Zürich entlassen wir David am Steuer des Schiffs aufs offene Meer, wo es windet und stürmt.
Wie ist das eigentlich, mit dem eigenen Vater so eng zusammenzuarbeiten?
DH: Ich kann mir wirklich nichts Schöneres vorstellen.
Warum?
DH: Weil mein Vater nicht nur ein guter Vater, sondern auch ein guter Chef ist. Ich kann von ihm sehr viel lernen.
Was macht ihn als guten Chef aus?
DH: Er zeigt den Menschen, die für ihn arbeiten, wie viel Freude er selbst am Handwerk hat. Das färbt ab, steckt an. Wenn ich ihm zuschaue, denke ich: Wow, der Metzgerberuf ist wunderschön! Und das ist er – genau wie der Kochberuf.
Sie absolvierten Ihre Lehre in der Küche des Schlosshotels Tarasp. Was gefällt Ihnen am Kochen?
DH: Etwas zu machen, das ich nachher geniessen kann. Auch wenn ich es nicht selber esse: Ich würde es zumindest gern tun. Meinen Bezug zum Essen wollte ich darum auch einbringen, als ich vor fünf Jahren in unserem Laden in St. Moritz einstieg. Ich kam mit Inputs, mit Ideen. Wir fingen an, nicht mehr nur Bündnerfleisch und Salsiz, sondern auch Frischfleisch zu verkaufen.
Der Junior kam – und stellte den Laden auf den Kopf?
DH: Na, so kann man das nun auch wieder nicht sagen. Aber ich wollte schon etwas anbieten, das über die Panini, die es damals im Bistro gab, hinausgeht: frische Sachen, ein schönes Tatar, Carpaccio, Vitello vom Grill. Heute wählen die Kunden ihr Stück Fleisch aus der Theke – und wir bereiten es vor Ort auf dem Grill zu. Die Leute finden das super.
Sie liessen Ihren Sohn von Anfang an gewähren. Wie ist es denn für Sie, ihn im Betrieb zu wissen?
LH: Es ist der grösste Verdienst, den man haben kann. Ich bin jetzt 64, und mein Sohn steht an meiner Seite im Betrieb. Das ist grossartig, weil er den Beruf gern hat, weil er mit so viel Freude dahintersteht, mitmacht, sich einbringt. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen. Und David macht einen fantastischen Job. Er ist sogar noch ein bisschen heikler als ich.
Das geht?
LH: In der Tat. Ich bin ja auch schon sehr genau, aber David ist noch eine Stufe perfektionistischer. Es muss alles ganz, ganz, ganz gut gemacht sein.
Zum Beispiel?
LH: Wenn ich das Tatar schneide und der Meinung bin, es sei jetzt gut, findet das mein Sohn nicht zwingend. Er sagt dann, die Sauce binde noch nicht richtig, und ich müsse weiterhacken. Das nächste Mal versuch ichs nach zehn Minuten Hacken und denke, diesmal passts bestimmt ... Aber nein: Für David ist es noch nicht fein genug.
DH: Ich bin nicht der Meinung, dass ich der Genauere von uns beiden bin. Wenn, dann habe ich das sowieso von meinem Vater. Er ist der Perfektionist.
Und das Tatar?
DH: Das mach ich halt seit Jahren. Es stimmt schon, dass er das Fleisch nicht so fein hackt wie ich – weil er sagt, man spüre bei einer gröberen Machart das Filet besser. Was unser Tatar aber auszeichnet, ist die Knackigkeit. Und knackig wirds nur, wenn sich die Sauce wirklich mit dem Fleisch verbindet.
LH: Er hat ja recht.