«Letztes Jahr konnte ich gerade einmal 240 Kilogramm ernten, und das war ein gutes Jahr.»
Chang Deang wischt seine Hand an der abgetragenen Arbeitshose ab. Vorsichtig greift er nach einer der Rispen mit den grünen Körnern, zieht einige ab und legt sie auf seine Handfläche, an der eben noch die rötliche Erde klebte. «Probieren Sie mal, die sind schön scharf.» Ein Lächeln öffnet das hagere Gesicht des Farmers. «Wir kochen häufig mit dem jungen, grünen Pfeffer», sagt der 67-Jährige aus der kambodschanischen Provinz Kampot. «Am liebsten essen wir ihn mit Shrimps und Reisnudeln.»
Die Schärfe breitet sich rasch im ganzen Mundraum aus. Aber da ist noch mehr: der Geschmack nach Zitrusfrüchten und Thymian zum Beispiel, nach Mineralien und etwas Eukalyptus sowie nach frischem Grün. Still und freundlich beobachtet Deang die Reaktion seines Gegenübers. Er weiss um die Besonderheit seines Pfeffers. Schliesslich pflanzt und pflegt er diesen in dritter Generation. Täglich geht er durch die Reihen der bis zu fünf Meter hohen Pflanzen, die sich jeweils zu zweit an einem Holzpfahl emporranken. Ursprünglich wächst Pfeffer im Wald, in dem er an den Bäumen in Richtung Sonnenlicht klettert. Je nach Jahreszeit schneidet Deang zurück, kontrolliert auf Schädlinge, lockert den Boden, düngt und bewässert. «In der Trockenzeit muss ich das jeden zweiten Tag tun, die Pfefferpflanze braucht viel Wasser.» Dafür hat er einen Teich angelegt, in dem er Regenwasser sammelt. Zwischen März und Juni dann wird fast täglich geerntet. Alle diese Arbeiten erledigen Deang, sein Schwiegersohn sowie seine beiden Töchter ausschliesslich per Hand. Das sichert die hohe Qualität des Produktes.
Ein rares Gut
Kampot-Pfeffer soll der beste der Welt sein. Küchenchefs und Hobbyköchinnen schwören gleichermassen auf das Gewürz aus dem Südwesten Kambodschas. Die dort produzierten Mengen sind überschaubar. Lediglich 300 Pfefferpflanzen wachsen auf Deangs Farm, die kaum grösser als ein halbes Fussballfeld ist. «Letztes Jahr konnte ich gerade einmal 240 Kilogramm ernten, und das war ein gutes Jahr», sagt er. In der Provinz Kampot beträgt die Jahresernte knapp 80 Tonnen. Die Pflanzen dort bringen im Durchschnitt je kaum mehr als ein Kilo Pfeffer. In Vietnam dagegen, das mit 220000 Tonnen pro Jahr als weltweit grösstes Produktionsland gilt, kommt das Vier- bis Fünffache pro Pflanze zusammen. Es ist auch seine geringe Verfügbarkeit, die den Kampot-Pfeffer so begehrt macht.
Vor allem aber ist es seine besondere Qualität. Diese ist den traditionellen Anbaumethoden auf den überwiegend kleinen Farmen geschuldet, aber auch dem sehr feuchten und warmen Klima nahe der Küste am Golf von Thailand sowie den mineralhaltigen und durchlässigen Böden. Ausserdem wächst der Pfeffer in Kampot oft an alten Pflanzen, die tiefe Wurzeln ausgebildet haben. Darüber hinaus ist die Verwendung von chemischem Dünger sowie Pestiziden verboten. Deang düngt seine Erde ausschliesslich mit Kuhmist und Guano. Den Fledermauskot sammeln die Farmer mit Planen unter Bäumen, an denen die Tiere hängen. Andere Bauernfamilien stellen ausserdem Düngemittel aus Reisfeldkrabben, aus Rinderknochen oder aus Garnelenschalen her. Schädlinge hält Bauer Deang mit Jauche aus Neem oder Tabak fern.
Festgeschrieben ist der Grossteil der Methoden im Regelwerk der Kampot Pepper Promotion Association, in der knapp 350 Produzenten aus der Region organisiert sind. Nur sie dürfen ihr Erzeugnis Kampot-Pfeffer nennen. Zwar gehört der Vereinigung auch die relativ grosse La Plantation an, eine für ihren Agrotourismus bekannte Vorzeigefarm, die etwa einen Drittel des gesamten Kampot-Pfeffers produziert. Der überwiegende Teil der Produzierenden indes betreibt Farmen von der Grösse Deangs. Wie aber konnten diese kleinen Farmer, von denen die meisten kaum oder gar nicht zur Schule gingen und die meist noch nie ihr Dorf verlassen haben, die Küchen dieser Welt erobern
Französisches Engagement
Das hat viel mit Sébastien Lesieur zu tun. «Ich kannte den Pfeffer aus Kampot noch von meiner Grossmutter in Frankreich.» Der 44-jährige Franzose mit der runden Brille und den kurzen, grauen Haaren sitzt an einem Holztisch in einer Villa am Stadtrand von Kampot, dem Sitz seines Social Enterprises Farmlink. Auf dem Tisch stehen Gläser mit rotem, weissem und grünem Pfeffer.
Lesieur lebt seit über 20 Jahren in Kambodscha. Davor arbeitete er als Ingenieur für Kommunikationstechnologie in Paris. Langeweile und Tristesse trieben ihn nach Südostasien. In Kambodscha war er zunächst im Entwicklungsdienst tätig. Dann gründete er Farmlink. Die Organisation verarbeitet und vermarktet den Pfeffer von bis zu 80 kleinen Produktionsbetrieben aus der Region. Sie unterstützt die Farmer bei der Verbesserung des Anbaus und hilft ihnen bei der Vorfinanzierung ihrer Ernte. Vor allem aber verschafft sie ihnen Zugang zu den Märkten in Europa und bezahlt einen fairen Preis. «Wir bezahlen doppelt so viel wie die anderen in Kampot und das Zehnfache von dem, was ein Pfefferfarmer zurzeit in Vietnam bekommt.»