25.09.2018 Salz & Pfeffer 6/2018

Goofentheater im Restaurant

Text: Monsieur Tabasco
An alle Schnellempörten: Es gibt Sprachregionen, in denen der Ausdruck «Goofen» nicht abwertend ist, sondern eine andere Bezeichnung für «Kinder».
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Die Dauerempörten dieser Gesellschaft verstehen ja fast alles ausser Spass.

Wo Monsieur Tabasco aufgewachsen ist, nennt man brave Kinder Goofen. Freche Goofen nennt man Saugoofen, allenfalls Bengel. Aber egal, wie man sie nennt, in keinem Restaurant sind sie ein Problem. Höchstens die Verursacher der Bengel. Also die Eltern.

Womit wir bei der hübschen Geschichte des Wirtes wären, der nach einem nervenzerfetzenden Tag mit geplatztem Kragen ein Plakat ins Internet nagelt, auf dem steht, in seinem Restaurant seien Kinder herzlich willkommen, aber nur bis 17 Uhr. Die Geschichte wird alle Jahre wieder geschrieben und nimmt stets denselben Verlauf: Ein Mitmensch weiblichen Geschlechts macht ein Handyfoto des Eintrags, setzt ihre Empörungs-Vuvuzela in Gang und trötet «Diskriminierung!» in die Welt hinaus.

Dieses Jahr hats Rudolf Markl von Oma’s Küche und Quartier auf Rügen erwischt, der folgenden hübschen Satz schrieb: «Spezialisiert auf Ruhe, Erholung und entspanntes Geniessen, begrüssen wir unsere Gäste am Abend erst ab 14 Jahren!»

Die Schnellempörten erbrachen sich im Internet nicht über die liebenswürdige Grammatik, sondern über den Zustand der Menschheit. Und die Medien empörten sich fröhlich mit, denn Empörung führt zu Klicks, Likes und Traffic. «Ein Restaurant auf Rügen verbannt kleine Kinder», schluchzte Der Westen, ohne dabei zu klären, ob die Kinder nach Sibirien oder St. Helena deportiert werden. «Kinderverbot spaltet die Welt», titelte die Schweriner Volkszeitung, allerdings ohne die internationalen Proteste aus der gespaltenen Welt mit Fotos zu dokumentieren. «Radikale Methoden», schrie Brigitte auf und schnitt einen Videoclip mit anklagenden Worten und niedlichen Kinderchen, die überhaupt nie schreien.

Beim Verband kinderreicher Familien Deutschland war man tief betroffen. «Es ist sehr bedauerlich, wenn das Verbot von Kindern zum Eigenmarketing genutzt und die gesellschaftliche Verantwortung nicht anerkannt wird.» Von einer «kinderfeindlichen Haltung» schluchzte der Deutsche Kinderschutzbund. «Kinder sind schon mal laut und laufen herum. Dann kann man als Restaurantbesitzer auf die Eltern zugehen und mit ihnen reden.» Offenbar hat man beim Deutschen Kinderschutzbund noch nicht vernommen, dass es Kinder gibt, die sich benehmen wie Donald Trump, und Eltern, die ticken wie dessen Wähler. Es gibt Leute, die lassen ihren Kindsköpfen alles durchgehen.

Natürlich riefen Exponenten aus der Empörungsindustrie den Bund zu Hilfe, und aus der Antidiskriminierungsstelle des Bundes vernahm man alsbald ein juristisches Räuspern; ein pauschaler Ausschluss von Kindern aus einem Restaurant könne gegen das Diskriminierungsverbot verstossen: «Argumente wie ein höherer Lärmpegel, durch den sich Gäste gestört fühlen könnten, reichen nicht unbedingt aus, um pauschal alle Kinder unter einem bestimmten Alter auszuschliessen.» Statt pauschaler Zutrittsverbote sei es angemessener, störende Kinder und ihre Eltern im Einzelfall aus dem Lokal zu verweisen.

Der Jurist dachte dabei wohl mehr an eine friedfertige Mediation zwischen Gastgeber und Bengel-Eltern vor versammelter Gästeschar mit einem sachlichen Gespräch über Kinderstube als an Fotos oder Clips auf Instagram, die Minuten nach den ersten Schimpftiraden und Tomatenwürfen online gehen dürften.

Gastwirt Markl spricht süffisant von «Eltern, die ihren Namen tanzen können, aber ihre Kinder nicht mehr im Griff haben». Das gefällt zeternden alten Kulturpessimisten wie Mr. Tabasco, die sich öfter bedroht fühlen von den Armeen kleiner Narzissten und Primadonnen, die von ihren Eltern mit Hilfe von schlauen Apps und Erziehungsratgebern daueroptimiert werden bis zur Vollendung ihrer Lebensuntüchtigkeit. Darum kriegen Gastgeber wie Markl von solchen alten Säcken selten Protest, oft aber Applaus.

Vor allem aber bekommen sie Besuch. Und zwar mehr als zuvor. Von Erwachsenen, die erwachsenenfreundliche Restaurants schätzen. Dazu gehören alte Kulturpessimisten so sehr wie junge Eltern, die sich einen Babysitter gönnen, um mal kinderfrei zu speisen. Selbst Mütter, die ihren Namen tanzen können, und Väter, die aus Solidarität bei der Beckenbodenmuskulaturrückbildungsgymnastik mitgeschwitzt haben, essen gern mal in Ruhe.

Und wer als Gastgeber auf Erwachsene setzen will, möge seine Kommunikation justieren. Warum nicht mit Humor. «Ihre Kinder sind uns wichtig» oder sowas, «ihre Sicherheit liegt uns am Herzen! Die Candlelight-Kerzen auf unseren Tischen erreichen Temperaturen von bis zu 1400 Grad Celsius. Bitte setzen Sie Ihren Liebling keinem Verletzungsrisiko aus, und gönnen Sie ihm einen entspannten Abend daheim beim Babysitter oder beim Grosi, bei dem Ihr Kind das sein kann, was es sein darf und soll: ein fröhlicher Goof.»

Gut, zugegeben, funktionieren würde das wohl auch nicht. Die Dauerempörten dieser Gesellschaft verstehen ja fast alles ausser Spass.