«Mag man anderen Lokalen vorwerfen, dass sie herumeiern, hat «The Jane» eine Handschrift gefunden.»
Es sollte zur Pflicht gemacht werden, Restaurants zu Fuss anzusteuern. Vielleicht nicht die komplette Strecke, aber doch den letzten, den entscheidenden Teil. Man bekommt treffliche Einblicke ins Umfeld, nimmt den Kontext wahr, weiss mehr. Erst recht in Antwerpen, einer Stadt mit vielen unterschiedlichen Vierteln, mit Flair. Schwer bewaffnete Soldaten patrouillieren in der Diamantengasse, den nahegelegenen Park teilen sich Jogger und Obdachlose, orthodoxe Juden eilen durch das «Jerusalem des Nordens». Sieht man keine Schläfenlocken mehr, flaut das Jiddisch ab, ist man da. Aber wo? Ein ehemaliges Militärkrankenhaus, umgebaut zu einem Wohnkomplex. Mittendrin, irgendwo, die Kapelle, die keine Kapelle mehr ist. Gott ist ausgezogen, Sergio Herman kam.
Doch der Anbetungswürdige, der in seinem Drei-Sterne-Restaurant Oud Sluis jahrelang für Verzückung sorgte, jenseits der Grenze, in den Niederlanden, scheint nicht da. Angebetet werden kann allenfalls Nick Bril, der coole Statthalter des grossen Patrons, auch wenn es der nicht so mit dem Rauskommen zu haben scheint. Überhaupt sei ja manches anders im «Jane» als in üblichen Lokalen, heisst es. Tatsächlich. Man sei mittags und abends ausgebucht, erklärt Chef Bril, der dann doch kurz Auskunft gibt. Fülle will was heissen in einem Restaurant, in dem man problemlos eine halbe Kompanie gleichzeitig unterbringen könnte. Kunden, welche die Tretmühle der Reservierung bewältigt haben, sollten sich glücklich schätzen. Einfach anrufen und bestellen geht nämlich nicht, die Website listet einen ganzen Katalog von Regeln und warnt ausdrücklich davor, diese zu umgehen. «Ausnahmen werden nicht gemacht.» Also muss sich jeder, sofern alle regulären Tische gebucht sind, auf die Warteliste setzen lassen und jenem glücklichen Moment harren, in dem das Telefon klingelt. Vielfach indes leuchtet nur ein roter Punkt im Reservierungssystem, dann hilft auch dieser Trick nicht mehr. Vielleicht probieren es ganz Ungeduldige ja mit Beten.
Faszination mit Nostalgie
Doch was ist es, was die Menschen so fasziniert? Zuallererst das Ambiente, die spektakulären Ein- und Umbauten, die Küche im Chor, in die man hineinschauen kann, die Beleuchtung. Faszinierend sind aber auch die Preise, denn von einem Zwei-Sterne-Restaurant erwartet man automatisch Teureres als jene 100 Euro, die ein Essen bei Bril kostet. In der allerumfangreichsten Menü-Variante wären es knapp über 140, aber auch das ist ja freundlich. Manche erwarten im Gegenzug, vielleicht eine Antwort zu finden auf die bohrende Frage, wie Restaurants von morgen aussehen, wie man auch im Jahr 2020 erfolgreich wird Gastronomie betreiben können. Vielleicht tatsächlich genau so: ungewöhnliche Location, wenig Auswahl, viele Menschen. Die Masse machts. Eine, die freilich zu Engpässen führt.