«Es ist das Ziel, kochtechnisch einen eigenen Weg zu finden. Aber das braucht Zeit.»
Sie sind in der Schweizer Ausgabe des Gault & Millau erwähnt. Als in Deutschland arbeitender Koch haben Sie darin eigentlich gar nichts zu suchen.
Nicolai Wiedmer: Dass unser Eckert im Testbericht von Tanja Grandits namentlich erwähnt wird, hat mich auch überrascht.
Ihr Restaurant wird auch schon mal als «kleines Stucki» bezeichnet. Nervt Sie das?
Als wir das Eckert vor drei Jahren neu eröffneten, hörte ich das noch öfter. Die Leute wussten halt, dass ich im Stucki in die Lehre gegangen war. Und klar habe ich mir dort viel abgeschaut. Ich will nichts kopieren, aber die Einflüsse sind da, unbestritten. Ich kann nicht so lange dort arbeiten, viel lernen und danach alles wieder vergessen. Natürlich ist es das Ziel, kochtechnisch einen eigenen Weg zu finden, aber das braucht Zeit.
Wie war es, die Lehre auf einem so hohen Niveau zu absolvieren?
Ich fands genial. Aber ich brachte auch viele Vorkenntnisse mit. Ich wusste immer, was ich einmal machen will. Schon in der Schulzeit war mir das Kochen wichtiger als die Schule selbst. Ich wuchs in einem Hotel auf und habe früh in der Küche geholfen, abends, solange es die Eltern erlaubten, oder an den Wochenenden und während der Ferien. Mit 16 Jahren schrieb und organisierte ich zum ersten Mal das Silvestermenü für 80 Personen in der Krone. Im gleichen Jahr absolvierte ich dann das erste Praktikum im Restaurant Stucki.
Sie verschwenden keine Zeit, auch nicht für Wanderjahre.
Es hätte mich schon interessiert, noch in andere Restaurants reinzuschauen. Das Eckert war dann einfach eine Chance, die ich mir nicht entgehen lassen wollte. Ich fand die Herausforderung hier schlicht spannender als Wanderjahre. Zudem durfte ich Tanja Grandits jeweils an die Gourmetfestivals in St. Moritz, in Italien, Österreich, Spanien und an viele weitere Orte begleiten. Auch wenn so ein Trip nur ein paar Tage dauert, sieht man doch, wie man es macht oder eben nicht.
Nach der Lehre wurden Sie direkt Küchenchef des Restaurants Eckert. Wie kamen Sie dazu?
Es ging alles sehr schnell. Der Betrieb stand zum Verkauf. Mein Vater meinte, dass er das Hotel kaufe, wenn ich die Küche übernehme. Ich fand das eine geile Chance. Das Eckert ist eine Institution in Grenzach und in der ganzen Region bekannt. Hier feierte man früher Taufe, Hochzeit, Geburtstage und Beerdigungen. Ich sagte meinem Vater zu, unter der Bedingung, dass ich die Küche komplett über den Haufen werfen kann.
Also genau das, was man auf keinem Fall tun sollte, wenn man eine gastronomische Institution übernimmt.
Es kam anfangs auch gar nicht gut an im Dorf. Wir verloren einige alte Stammgäste, konnten mittlerweile aber auch viele zurückerobern und noch mehr neue gewinnen. Einige vermissen zwar immer noch das Cordon bleu von früher, aber die Freude darüber, was aus dem Haus geworden ist, überwiegt.
Wieso gingen Sie dieses Risiko überhaupt ein?
Ich kann nur gut kochen, wenn ich Spass habe. Und es macht mir keine Freude, bloss Schnitzel zu klopfen. Ich kenne die badische regionale Küche gut. Aber im Eckert wollte ich das umsetzen, was ich in der Lehre gelernt hatte. Mein Vater meinte zwar, wir müssen an den Klassikern festhalten, ich wollte hingegen sofort umstellen, nicht Schritt für Schritt.
Das Verhältnis zwischen Küchenchef und Hoteldirektor ist oft heikel, in Ihrem Fall ist der Direktor auch noch Ihr Vater.
Und das macht die Sache nicht einfacher. Wir sind beide Dickköpfe, wissen, was wir wollen. Im Restaurant habe ich mich durchgesetzt, das ist mein Baby, da bin ich nicht kompromissbereit. Grundsätzlich arbeiten wir aber im Team, wir sehen uns als Gruppe, die noch was leisten, etwas aufbauen will. Das Hotel ist eher seins, das Restaurant meins.
Beschreiben Sie doch bitte mal Ihre Küche.
Das kann ich gar nicht. Ich suche meinen Stil ja noch. Es ist eine moderne Fusion-Küche, die in London vielleicht ein alter Hut, aber hierzulande noch relativ neu ist. Ich liebe asiatische Aromen, auch etwas, das ich aus dem Stucki mitgenommen habe. Der Pulpo mit Schalotte, Meerrettich und Zwetschge ist ein gutes Beispiel dafür. Die Komposition tönt vielleicht komisch, passt aber super zusammen, vor allem mit der Miso. Ein Gericht muss für mich frisch und knackig sein, mit verschiedenen Konsistenzen, auch mal mit etwas Kaltem auf einem warmen Gericht oder etwas Schärfe zum Kitzeln.
Ihre Brigade besteht aus zehn Köchen und zwei Spülern. In der Schweiz muss man richtig Umsatz bolzen, damit so was rentiert.
Das muss man in Deutschland auch. Aber an den Wochenenden machen wir mittlerweile bis zu 90 À-la-carte-Essen. Da geht richtig was raus.
Trotzdem, auf der deutschen Seite zu arbeiten, bringt Ihnen als Küchenchef doch Vorteile?
Es ist Fluch und Segen zugleich. Ein Segen, weil wir für Schweizer Verhältnisse relativ günstig sind und das Restaurant keine fünf Autominuten von der Grenze zu Basel entfernt liegt. Dafür ist es sehr schwierig, Mitarbeiter zu finden. Die ersten Jahre hatten wir arg zu kämpfen. Erst als wir letzten Herbst 15 Gault-Millau-Punkte bekamen, änderte sich die Situation schlagartig.