18.01.2017

Guter Fang

Text und Fotos: Mia Bavandi
Die erste Schweizer Zuchtfarm für Atlantik-Lachs, die Swiss Alpine Fish AG in Lostallo, ist betriebsbereit. Erste Fischkolonien schwimmen bereits in den mit mehrfach filtriertem Misoxer Grundwasser gefüllten Betonbecken. Ein Farm-Shop ist geplant.
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«Würden wir Antibiotika oder Medikamente einsetzen, würde beispielsweise der Biofilter, dessen Bakterienhaushalt für sauberes Wasser sorgt, kaputt gehen.»

Julian Connor hat sich mit der Realisierung einer nachhaltigen Atlantik-Lachsfarm einen Traum erfüllt. Der in der Schweiz lebende Brite mag Fisch. Aber er liebt Lachs, qualitativ hochwertigen, gut schmeckenden, an Jod, Selen, Vitamin A und D12 sowie Omega 3-Fettsäuren reichen, nahrhaften und vor allem schadstofffreien Lachs aus dem Atlantik. Mit diesem Faible für den flussaufwärts jagenden Wanderfisch mit lachsrosa Fleisch ist Connor nicht alleine. Betrug der Schweizer Lachskonsum im Jahr 2003 noch rund 56000 Tonnen, wuchs dieser innerhalb von zehn Jahren auf fast 74000 Tonnen an.

«Der Trend reisst nicht ab. Lachs zählt zu den beliebtesten Fischarten in der Schweiz. Um den Lachsbedarf zu decken, müssen jedoch rund 95 Prozent importiert werden», erklärt Swiss Alpine Fish-AG-Mitinvestor sowie Marketing- und Verkaufsmanager Ronald Herculeijns, der seine Position als Verkaufsmanager in einem internationalen Luxuskonzern aus Überzeugung für die Lachszucht an den Nagel gehängt hat. Nach einer BBC-Reportage über den Einsatz von Medikamenten und Antibiotika in norwegischen Lachs-Zuchtanlagen sowie das damit belastete Endprodukt beschließt Julian Connor, sich selbst ans Werk zu machen. Der Wahlschweizer mutiert vom Stahlhandel-Manager zum Lachszüchter. Er gewinnt einen 20-köpfigen Investorenring und eine Schweizer Grossbank, die zusammen ein Investitionsvolumen von rund 18 Millionen Franken für die Gründung der Swiss Alpine Fish AG mit Sitz in Zürich und Produktion in Lostallo aufschlagen.

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Seit Ende des vergangenen Jahres sind nun die Betonbassins mit dem Grundwasser der Moesa-Region in der italienischen Schweiz gefüllt. Die gute Wasserqualität sei für die Wahl des Standorts im Misox-Tal ausschlaggebend gewesen. Im Inneren der durch Holzvertäfelungen stimmig in die Landschaft eingebetteten Lachsfarm befinden sich ein inneres und äußeres Ringbecken mit insgesamt 32 Metern Durchmesser, sechs Metern Tiefe und getrennten Sektoren für sechs Fischgenerationen. Noch im «Brutkasten» befindliche isländische Lachseier sowie insgesamt 6000 aus Schottland importierte Junglachse, die noch zwei Monate lang durch das Quarantänebecken schwärmen müssen, warten auf ihr Sprungbrett in den vorgesehenen Sektor. «Es dauert zirka ein Jahr, bis aus einem Ei ein 100 Gramm großer Junglachs wird und ein weiteres Jahr, bis dieser ein Gewicht von rund 3.5 Kilogramm erreicht», so Herculeijns. In den mit Kunstlicht beleuchteten Rundbecken können bereits die ersten Lachse und Lachsforellen ausgemacht werden. Während Junglachse in der Tiefe jagen, schwimmen die rund 20000 Lachsforellen an der Wasseroberfläche gegen den von einer Anlage erzeugten Strom. «Wir haben zu Beginn Lachsforellen eingesetzt, weil diese im Handling einfacher sind», erklärt Herculeijns, der sich für die Zukunft eine jährliche Lachs-«Ernte» von rund 600 Tonnen erhofft.

Farm-Manager Thomas Hofmann und sein Stellvertreter Rudolf Ryf behalten die schuppigen Schützlinge tagsüber im Auge, messen die für die Wasserqualität wichtige Sauerstoffkonzentration, den pH-Wert sowie die Temperatur. Sie kontrollieren die automatische Futter- und Gegenstromanlage und sind für die von Seafood Watch in einem Rating wegen der eingesetzten Kreislauftechnologie als besonders nachhaltig eingestufte Produktion verantwortlich. «Das Wasser in den Becken durchläuft mehrere und verschiedene Filtersysteme wie Trommelfilter oder Biofilter», erklärt Herculeijns den Kreislauf und setzt fort: «Würden wir Antibiotika oder Medikamente einsetzen, was wir in keinem Fall tun werden, würde beispielsweise der Biofilter, dessen Bakterienhaushalt für sauberes Wasser sorgt, kaputt gehen». Zu den ersten Abnehmern und Interessenten zählen Schweizer Lebensmittelketten wie Migros oder Coop und Fisch-Distributoren wie Bianchi, Rageth, Dörig und Braschler, die Fischrestaurants, die Sushi- oder Sterne-Gastronomie beliefern. «Da wir selber noch keine Endprodukte herstellen, wird der Konsumentenpreis von den Retail-Kunden bestimmt. Wir gehen davon aus, dass dieser dem Niveau des Bio-Lachspreises entspricht», so der Verkaufsmanager. In naher Zukunft könnte es auch für den Endkunden einen guten Fang, nämlich einen eigenen Farm-Shop mit Spezialitäten, frischem, geräuchertem oder mariniertem Lachs geben.