«Da empfehle selbst ich, teilweise auf konventionelle Ware umzusteigen.»
Sie wuchsen mit Bioprodukten auf. Wann nahmen Sie das Thema erstmals bewusst als solches wahr?
Mara Ledermann (ML): Ganz klar: in der Berufsschule. In der Mensa gab es kein Fleisch in Bioqualität, und mir fiel auf, wie anders konventionell produziertes Fleisch schmeckt. Es war süsslicher – und für mich ein ziemlicher Schock, vor allem das brasilianische Poulet.
Beat Ledermann (BL): Dazu gibt es eine Geschichte, die ich gern erzähle: Ein Kunde von uns bestellte Sellerie, verarbeitete diesen in seiner Grossküche und berichtete später, der ganze Raum habe danach gerochen, das habe er lange nicht mehr erlebt. Ich bin überzeugt, dass man den Unterschied von konventionell und biologisch produzierten Lebensmitteln schmecken kann. Wobei klar ist: Ein guter Koch, der mit konventioneller Ware arbeitet, ist immer noch besser als ein schlechter Koch mit Bioprodukten.
Die Pico Bio AG ist ein klassischer Familienbetrieb. Wie stark mischt sich die alte Generation in die Arbeit der jungen ein?
ML: Ich habe viele Freiheiten, kann im Personalbereich auch Veränderungen anstossen und meine Ideen einbringen. Wir hatten schon immer ein entspanntes Verhältnis und eine gute Basis, als Familie und im Betrieb. Die Mitarbeit in der Firma gefällt mir – auch weil ich mich sehr für Lebensmittel interessiere.
BL: Das ist das Wichtigste überhaupt und der Grund, warum wir häufig gelernte Köche einstellen: Man muss Freude an Lebensmitteln haben. Und bei uns speziell, weil wir ja Bioprodukte verkaufen: Freude an guten Lebensmitteln.
Bio gleich gut: Warum war das für Sie als Bauer in den Achtzigerjahren klar?
BL: Das ist gar nicht so einfach zu sagen. Die konventionelle Landwirtschaft stand damals nämlich an einem Punkt, an dem ich durchaus hinter ihr stehen konnte – nicht grad zu 100, aber doch zu 90 Prozent. Heute sind es vielleicht noch 20. In den letzten drei Jahrzehnten hat sich viel verschlechtert. Der Einsatz von Pestiziden ist gestiegen, die Belastung des Bodens durch schwere Maschinen hat massiv zugenommen, die Betriebe werden immer grösser. Wenn man den Anbau von Soja oder Mais weltweit betrachtet, erkennt man, dass das keine Landwirtschaft mehr ist, sondern eine Industrie – und zunehmend eine Finanzindustrie.
Früher war die Situation also besser, sagen Sie. Umso spannender, dass Sie beschlossen, auf biologischen Landbau umzustellen.
BL: Nun, diese Biogeschichte war neu, aufregend und sehr politisch. Da ich es gern anders mache als der Rest, lag der Schritt für mich nahe. Wobei nicht abzusehen war, wohin die Reise gehen würde – sonst wären viele früher auf den Zug aufgesprungen. Die Marketingleute der Grossverteiler erkannten das Potenzial ja erst etwa zehn Jahre später. Das ist ein gutes Beispiel, warum sie kleine Firmen eigentlich unterstützen müssten.
Wie meinen Sie das?
BL: Wenn die grossen Player im Nahrungsmittelmarkt zu gross werden, geht die Innovation verloren. Es sind nämlich immer die Kleinen, die etwas ausprobieren. Die Grossverteiler schauen zuerst bei denen, ob ein Produkt funktioniert, und übernehmen erst, wenn es läuft.
Welche Art von Koch ist Ihr Kunde?
BL: Anfangs hatten wir hauptsächlich Abnehmer aus der alternativen Szene, darunter viele Quereinsteiger. Seit rund zehn Jahren ist da aber eine Generation von gelernten Berufsleuten mit neuem Anspruch. Diese Köche wollen hinter den Produkten, die sie verarbeiten, stehen können und wissen, woher ein Lebensmittel stammt. Dabei geht es nicht in erster Linie um Bio: Ein Produkt darf konventionell hergestellt sein, es soll aber nicht von einer namenlosen grossen Firma aus Übersee stammen. Bioprodukte haben den Vorteil, dass sie dieses Kriterium oft erfüllen. Momentan erarbeiten wir für die Gastronomie deshalb eine eigene Bewertungsskala, bei der das Bio-Label nur eins von sechs Kriterien ist.