14.04.2022

Hanf statt Hopfen

Interview: Simone Knittel – Fotos: ZHAW
Hopfen, Malz, Hefe, Wasser – aber was passiert mit der klassischen Bierrezeptur, wenn der Hopfen verschwindet? Amandine André, Forscherin Lebensmittelchemie an der ZHAW, schlägt Hanfblüten als Alternative vor.
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«Vor allem kleine Brauereien könnten profitieren.»

Warum kann der Hopfen beim Bierbrauen zum Problem werden?
Amandine André: Es gibt verschiedene Herausforderungen beim Bierbrauen im Zusammenhang mit Hopfen. Hopfen wächst in der Schweiz zum Beispiel nicht besonders gut, und unsere regionalen Bierbrauereien sind stark vom Import abhängig. Aufgrund der Klimaerwärmung wird Hopfen zunehmend schwierig anzubauen, denn er mag kühle Temperaturen. Gerade für kleine Brauereien ist es schon heute schwierig, an Hopfen zu kommen. Er muss oft Jahre im Voraus in grossen Mengen bestellt werden. Das ist ein Risiko, denn kleine Brauereien wissen oftmals nicht, ob es sie dann überhaupt noch gibt. Und dann ist es für Biobrauereien praktisch unmöglich, an biologisch produzierten Hopfen zu kommen.

Ihre Forschergruppe kam auf die Idee, den Hopfen im Bier mit Hanf zu ersetzen. Warum ausgerechnet Hanf?
Meine Grundidee war es, aus einem Abfallprodukt etwas Nachhaltiges zu kreieren. Da ist Hanf naheliegend, denn obwohl er eine äusserst vielseitige Nutzpflanze ist, werden die Hanfblüten oft zum Abfallprodukt. Bei der Produktion von Stoff beispielsweise werden nur die Stengel verarbeitet. Und für die Herstellung von Hanföl braucht es nur die Samen. Der Rest wird weggeschmissen. Aufhorchen liess mich zudem, dass der Hanf mit dem Hopfen botanisch verwandt ist. Es sind beide Korbblütler. Sie teilen zudem viele Aromastoffe, vorallem das charakteristisch Bittere.

Ihnen war bei der Bierproduktion wichtig, dass der Hanf den Hopfen geschmacklich ersetzt, aber dass das Bier nicht nach Hanf schmeckt. Wieso?
Ganz einfach: Ich mag den Geschmack nicht. Es gibt bereits Hanfbiere im Handel, die auf Hopfen basieren, und den typischen Hanf-Geschmack haben. Ich schätze sie aber als ein Nischenprodukt ein. Die Aromen, die für uns spannend sind, sind die Bitterstoffe, und die Zitrusaromen, die der Hanf in sich trägt. Das süssliche, erdige Aroma hingegen fiel im Test durch. Unsere Versuche führten schliesslich zu einem Bier, das auf einem Pilsener beruht. Die Testpersonen konnten zwischen unserem Bier und einem Lagerbier keine Unterschiede feststellen. Beide schmeckten gleich gut, gleich bitter und nicht nach Hanf. Wir werden sie nun nach einer Lagerzeit nochmals testen. Aber natürlich ist das Bier noch nicht marktreif – dafür möchten wir uns nun mit einer Brauerei zusammentun. Sie sind schliesslich die Profis. Viele von ihnen haben bereits Interesse signalisiert.

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Und woher kommt der Hanf für die Produktion?
Aktuell arbeiten wir mit unserem selbstgezogenen Hanf aus dem Garten der ZHAW. Damit können wir uns durch verschiedene Brauprozesse testen. Die Hanfsorte hat einen grossen Einfluss auf das Bier, gleichzeitig ersetzt der Hanf den Hopfen im Brauprozess nicht 1:1. Die Bitterstoffe des Hanfs unterscheiden sich chemisch von jenen des Hopfens, und sie reagieren zum Beispiel während des Kochvorgangs ganz anders. Für ein gutes, bitteres Bier braucht es drei bis viermal mehr Hanf als Hopfen. Sollten wir dieses in Zukunft in grösseren Mengen brauchen, werden wir die passenden Produzenten suchen. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Bis man ein Bier auf dem Markt kaufen kann, dass auf unserer Forschung beruht, wird es wohl noch zwei, drei Jahre dauern.

Amandine André vom Institut für Lebensmitteltechnologie an der ZHAW forscht am Potential von Hanfblüten, die in der Industrie heute vielfach als Abfallprodukt anfallen. Da der Hanf aus derselben botanischen Familie wie der Hopfen stammt, entstand die Idee, ihn für die Bierproduktion zu nutzen. Die unkonventionelle Idee wird von Spark, einem Förderprogramm des Schweizerischen Nationalfonds SNF, unterstützt.  Die Ergebnisse der Forschung interessieren auch den Schweizer Brauerei Verband. Das Projekt kann den Schweizer Brauereien helfen, ihre Abhängigkeit vom Importprodukt Hopfen zu verringern. Heute wird 90 Prozent des Bedarfs an Hopfen aus dem Ausland importiert. Hanf hingegen lässt sich in der Schweiz einfacher, ohne Pestizide und mit wenig Bewässerung und Düngung anbauen. Die Hanfpflanze ist zudem weniger anfällig auf steigende Temperaturen im Zusammenhang mit dem Klimawandel.