«Es bestehen noch viele Fragen und Wissenslücken.»
Sie gelten als Delikatesse und kommen hauptsächlich in der gehobenen Gastronomie auf den Tisch: Krustentiere wie Hummer, Langusten, Bärenkrebse, Kaisergranate oder Krabben, die unter dem Oberbegriff Panzerkrebse zusammengefasst werden. Früher war es auch hierzulande gang und gäbe, Hummer & Co. lebendig ins siedende Wasser zu werfen. «Man ging davon aus, dass die Tiere keinen Schmerz empfinden – bis neuere Studien zeigten, dass dem nicht so ist», sagt Boris Pasini, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Der Rest ist Geschichte: Anfang 2018 erliess der Bundesrat eine Anpassung im Tierschutzgesetz, die vorschreibt, dass Panzerkrebse vor dem Kochen betäubt und auch tierschutzkonform getötet werden müssen. Die Gesetzesänderung betrifft aber auch den Umgang mit lebendigen Krustentieren: Beispielsweise dürfen sie nicht mehr direkt auf Eis gelagert oder im Eiswasser transportiert werden.
In der Gastronomie sorgte die Gesetzesänderung mitunter für Ärger, vor allem aber für Verunsicherung. «Die artgerechte Haltung sowie der tierschutzkonforme Transport lebender Panzerkrebse verlangen spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten», sagt Pasini, «das gilt auch für die Betäubung und Tötung der Tiere.» Mittlerweile sei Gastronomen klar, dass sie Panzerkrebse vor dem Kochen betäuben müssten, sagt der Wissenschaftler, gleichwohl sei davon auszugehen, dass in der Praxis Fragen und Wissenslücken bestünden. Diese zu schliessen, ist das Ziel eines neuen Kurses, den das Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen gemeinsam mit dem Fischhändler Dörig & Brandl im November erstmals durchführt. «Die eintägige Weiterbildung richtet sich an Personen aus der Gastronomie und dem Handel, die Panzerkrebse zubereiten, halten oder verkaufen», sagt Pasini, der die Kursleitung innehat und in den Bereichen Fischzucht, Edelkrebse und Aquakultur forscht.
Der Kurs vermittelt Köchen und Gastronomen zunächst Basiswissen für den tiergerechten Umgang mit Panzerkrebsen. Dazu gehören ein paar grundlegende Informationen zur Biologie der Krustentiere. «Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer lernen in praxisorientierten Übungen, wie sie Panzerkrebse fachgerecht betäuben und töten», sagt Pasini, «sie sollen aber auch verstehen, warum die entsprechenden Arbeitsschritte nötig sind.» So gehören Panzerkrebse zu den Gliederfüsslern, die im Gegensatz zu den meisten Wirbeltieren kein zentrales Gehirn haben. Sie verfügen stattdessen über ein sogenanntes Strickleiternervensystem, eine Nervenkette, die sich entlang des Körpers erstreckt. «Dies bedingt, dass man einen Panzerkrebs nicht mit einem Schlag auf den Kopf betäuben kann, weil man so nur einen Teil seiner Nervenzentren zerstört», sagt Pasini. Die Methode der Wahl, um Panzerkrebse schmerzunempfindlich zu machen, ist nach angepasstem Tierschutzgesetz die elektrische Durchströmung des Tieres mittels Elektrobetäubungsgerät – das in alle Küchen gehört, die lebendige Krustentiere verarbeiten. «Nach der Betäubung müssen die Nervenzellen unverzüglich zerstört und das Tier getötet werden», sagt Pasini, «entweder, indem man seine Nervenkette fachgerecht durchschneidet oder es ins siedende Wasser gibt.»
Weitere Kursinhalte widmen sich dem Transport und der Haltung der Tiere sowie der damit verbundenen Dokumentationspflicht. «Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhalten einen Überblick über Aquarienanlagen und Vivarien, wie sie in Comestible-Geschäften oder spezialisierten Restaurants üblich sind», sagt Pasini, «und erfahren alles Wissenswerte zu den Wasserparametern, die für die Haltung von Panzerkrebsen relevant sind.» Anschliessend geht es in die Schulungsküche von Dörig & Brandl, in der Profis verschiedene Zubereitungsarten von Panzerkrebsen zeigen und teilnehmende Gastronominnen und Köche zum Abschluss eine Degustation erwartet.