«Immerhin ist sie die Urbohne der Schweiz. Auch wenn das fast keiner mehr weiss.»
Jede Bohne wächst auf einem Acker. Was also soll an der Ackerbohne so besonders sein? Dass es auf diese Frage mehr als eine gute Antwort gibt, weiss Marcel Heinrich. Der Biolandwirt, der mit seinen Bergkartoffeln aus dem Albulatal eine beispiellose Erfolgsgeschichte schrieb, will nun der alten Bohnensorte zu mehr Beachtung verhelfen. Er schwärmt von der Schönheit der blühenden Pflanze, preist ihre Widerstandskraft und ihre Fähigkeit, Stickstoff im Boden zu binden. «Die Ackerbohne hat was», sagt der Bergbauer, «und es ist höchste Zeit, dass sie zurück auf den Teller kommt.» Dafür sei er bereit, Pionierarbeit zu leisten. «Auch wenn das ein Chrampf ist.»
Heinrichs Lobrede auf die Ackerbohne hören an diesem Februarmorgen knapp 20 Leute, die sich in der Maismühle Landolt in Näfels versammelt haben, um den kulinarischen Wert der Hülsenfrucht zu erörtern. Vertreter von Pro Specie Rara (PSR), von Bio Grischun und vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (Fibl) sind da, aber auch Köche wie Sven Wassmer, Pascal Haag und Hansjörg Ladurner sowie für ihre Innovationskraft bekannte Produzenten wie Patrick Marxer, Martin «Flo» Bienert oder die Hospezi-Begründer Ursi und Christian Weber. Das Interesse an der Ackerbohne ist gross, die Anbauversuche entwickeln sich gut. 2019 erntete Heinrich 600 Kilo.
Ein wichtiger Grund, warum es für die Initianten sinnvoll ist, den Anbau der Ackerbohne in der Schweiz zu beleben, ist deren Eigenschaft, am Berg besser zu gedeihen als im Flachland: Im Gegensatz zu Stangen-, Busch-oder Feuerbohnen kommt sie mit Temperaturen von bis zu minus vier Grad zurecht und wächst auch auf 1200 Meter über Meer. «Die Bauern in Berggebieten sollten sie in der Fruchtfolge unbedingt anbauen», weibelt Heinrich. «Auch weil sie eben Stickstoff bindet und für die Nachfolgekultur verfügbar macht.» Und: Anders als im Mittelland verursachen Schädlinge wie Blattläuse oder Bohnenkäfer in der Höhe keine Probleme. Beim Fibl ist man vom Potenzial der Ackerbohne in der Alpenregion ebenfalls überzeugt, wie Daniel Böhler sagt. Er begleitet Heinrichs Anbauversuch in Filisur und erzählt von den Proben, die er zuletzt nahm: «Ich war überrascht, wie gesund die Ackerbohne hier aussieht.»
Das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Unterfangen seine Tücken hat. Der Start sei chaotisch gewesen, erinnert sich Heinrich, der 2015 die ersten drei Säckchen Bohnen erhielt und «mit mässigem Ertrag» kultivierte. Das Jäten von Hand macht Mühe, bei der Ernte mit dem Mähdrescher bleibt zu viel auf dem Feld zurück: «Daran müssen wir arbeiten.» Auch Philipp Holzherr von Pro Specie Rara spricht von Hürden. 2011 begann die Stiftung, unterstützt vom Bundesamt für Landwirtschaft, mit ersten Anbauversuchen und Verkostungen. Dann galt es, genug Saatgut anzuhäufen. «Es war ein mühseliger Prozess», so der Bereichsleiter. «Aus einer Handvoll noch vorhandener Bohnen gewisser Sorten konnte man nach dem ersten Jahr zum Teil gerade mal die zwei- oder dreifache Menge ernten.» Nichtsdestotrotz ging das Ackerbohnenprojekt, das Holzherr betreut, Anfang 2019 bereits in die dritte (jeweils vierjährige) Phase.
In dessen Rahmen haben die Initianten den Punkt erreicht, an dem es um die kulinarischen Aspekte der Ackerbohne geht. Tatsächlich findet man die Hülsenfrucht mit nussigem Aroma im vorderen Orient, aber auch in Italien hin und wieder auf dem Teller: als Snack, im Salat, als Mezze. Hierzulande kennt man sie maximal als Futtermittel fürs Vieh. Vom Speiseplan der Schweizer verschwand die Ackerbohne, als sich die Kartoffel und die Gartenbohne etablierten. Noch bis ins 19. Jahrhundert hinein kam sie als «Choscht»-und Bohnensuppe allerdings fast täglich auf den Tisch und galt als wichtigste Hülsenfrucht. Die Samen wurden getrocknet und für Eintöpfe verwendet, die Bohnen roh, gedörrt oder geräuchert gegessen und in gemahlener Form ins Roggen- oder Gerstenmehl fürs Brot gemischt. In Frankreich hat das heute noch Tradition: Ackerbohnen-gehört ins Baguettemehl, weil es für eine schöne Kruste sorgt.