09.06.2022

Hausgemachtes hervorheben

Text: Simone Knittel – Foto: Fait Maison
Sind das Schnitzel und die Pommes frites hausgemacht oder kommen sie aus der Tiefkühltruhe? Das Label Fait Maison aus der welschen Schweiz will Klarheit auf den Menükarten schaffen.
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«Es geht nicht darum, das Team einzuengen, sondern darum, die Produkte und Küche der Region zu fördern.»

Die einen Köche wenden das handgeklopfte Schnitzel sorgfältig in der Panade und backen es schwimmend zur Perfektion. Die anderen reissen eine Tüte auf und lassen das Fleisch daraus in die Fritteuse gleiten. Dazu gibt es Pommes – selten hausgemacht, in der Regel geschnitten und vorblanchiert aus der Tiefkühltruhe. Ob nun das eine oder das andere «Schnipo» auf dem Tisch liegt, ist für die Gäste oftmals schwer zu sagen. Die einen hätten vielleicht gerne ein selbstpaniertes Wiener Schnitzel aus der Pfanne, die anderen möchten vor allem eines: ein schnelles Menü zu einem günstigen Preis. Aber welche Küche serviert wie viel Hausgemachtes?

Ein in der Romandie etabliertes Label will an diesem Punkt Transparenz schaffen. Fait Maison ist in den Kantonen Neuenburg, Genf, Jura und Waadt seit 2017 aktiv. Hinter dem Label stehen die Fondation pour la Promotion du Goût, die auch die Genusswochen verantwortet, der Westschweizer Verein für Konsumentenschutz FRC, Slow Food Schweiz sowie Gastrosuisse. Aufgrund der positiven Erfahrungen im Welschland haben die Vereinigungen beschlossen, das Konzept auch in der Deutschschweiz verstärkt zu etablieren. In diesem Sinne lief in den vergangenen zwei Jahren ein Pilotprojekt unter der Ägide von Patrick Grinschgl, Vorstandsmitglied von Gastro Luzern.

Regionale Küche und Produkte
Grinschgl zieht heute eine positive Zwischenbilanz, auch wenn die Zentralschweiz für ein neues Label nicht immer das einfachste Pflaster sei. «Interessiert sind vor allem traditionelle Betriebe, die viel selbst machen. Gemeinsam mit ihnen schauen wir, welche Menüs tatsächlich den Anforderungen des Labels entsprechen. Bei Saucen, Dressings und Suppen sind wir streng – die müssen hausgemacht sein. Natürlich erwarten wir aber nicht, dass beispielsweise Senf selber hergestellt wird. Das wäre schlicht realitätsfremd.» Es gibt einige Schlupflöcher, denn «hausgemacht» muss nicht zwingend heissen, dass ein Lebensmittel ausschliesslich aus der Restaurantküche stammt. «Ein Burger gilt auch dann als hausgemacht, wenn etwa das Brötchen vom Bäcker nebenan stammt.» Auch beispielsweise geräucherte, getrocknete oder eingelegte Produkte aus der Region dürfen verwendet werden. «Es geht nicht darum, das Küchenteam einzuengen, sondern vielmehr darum, die Produkte und Küche der Region zu fördern», erklärt der ehemalige Gastronom.

Auch für junge Betriebe, Take-aways und sogar Foodtrucks kann das Label spannend sein. «Gerade junge Unternehmen setzten auf kleine Karten mit vielen selbstgemachten Angeboten – das bietet sich für unser Label an», erklärt Grinschgl. Bekehren wolle man hingegen niemanden: «Wir richten uns nicht an Gastronominnen und Gastronomen, die seit Jahrzehnten die gleichen Menüs anbieten und ihre feste Fertigproduktepalette haben.»

Ausnahmen erlaubt
Auf Seiten der Kundschaft stösst das Label laut Grinschgl durchwegs auf positives Echo. Die Gastronominnen und Gastronomen indes reagierten ganz unterschiedlich. «Viele Betriebe sind froh um mehr Transparenz und freuen sich, zu zeigen, dass ihre Menüs hausgemacht sind. Andere haben keinerlei Interesse daran, auszuweisen, ob ihr Essen von Zulieferbetrieben stammt.» Einige Köchinnen und Köche wiederum signalisierten zwar die Bereitschaft, mehr selbst zu machen, könnten sich aber noch nicht für das Label qualifizieren, weil etwa Personal fehlt. Die Köpfe hinter dem Label sind in vielen Fällen bereit, mit den Gastronominnen und Gastronomen einzelne Punkte durchzugehen und an Lösungen zu arbeiten. «Manchmal ist es einfacher, eine Zutat selbst herzustellen oder regional zu beziehen, als man denkt. Es kann für einen Betrieb auch eine Chance sein, sich neu zu erfinden, zu vernetzen oder zu profilieren», erklärt Grinschgl. Ausserdem sind Ausnahmen erlaubt: Ein Betrieb mit hauptsächlich hausgemachten Menüs kann verwendete Fertigprodukte mit einem Sternchen markieren und so Transparenz schaffen. «Das Label darf er trotzdem tragen», so Grinschgl.

Werbewirkung dank Label
Ausgezeichnete Betriebe tragen das Label als Sticker beim Eingang sowie auf der Menükarte. Für die Auszeichnungen zahlt ein Gastronom oder eine Gastronomin jährlich 300 Franken, womit die Kontrollen zur Einhaltung der Richtlinien finanziert werden. Daneben betreibt das Label verstärkt Werbung für die Betriebe. Manuela Lavanchy ist seit diesem Jahr als Projektkoordinatorin für die Deutschschweiz verantwortlich. Sie erklärt: «Die Restaurants sind auf unserer Website in einer Geokarte aufgelistet. Viele Gäste orientieren sich für ihre Restaurantbesuche daran. Wir lancieren zudem mehrere Aktionen, an denen sich die Betriebe auf freiwilliger Basis beteiligen können. Aktuell rufen wir etwa zur Kreation eines Sommerdesserts auf. Auf unserer Website und unseren Social-Media-Kanälen teilen wir dann die Impressionen aus den verschiedenen Küchen. Die Betriebe dürfen also von zusätzlicher Werbung und einem Multiplikator-Effekt profitieren.» Rund 400 Restaurants sind inzwischen mit dem Label zertifiziert, Tendenz stark steigend. Die Verantwortlichen sind sich sicher, mit dem Label den Nerv der Zeit zu treffen. «Fait Maison steht für Transparenz, für die Erhaltung von Wissen in der Schweizer Gastronomie und für die Bewahrung der vielen unterschiedlichen Geschmäcker und Eigenarten der regionalen Küche», fasst Lavanchy zusammen. «Oder einfach gesagt: Für ein Restaurant, dass seine Menüs selbst zubereitet und nicht bloss aufwärmt.»

Das Label Fait Maison zeichnet Restaurants aus, die ihr Essen vollständig oder zum grössten Teil in ihren Küchen zubereiten, ohne küchenfertige Produkte und Fertiggerichte zu benutzen. Rund 400 Restaurants sind bereits mit dem Label ausgezeichnet, die meisten in der französischsprachigen Schweiz. Neben der Region Luzern will das Label diesen Sommer vermehrt in Basel und im kommenden Jahr auch in Bern und Zürich präsent sein. Gastronomen und Gastronominnen landesweit können sich jederzeit für das Label anmelden.

Folgende Punkte sind im Pflichtenheft des Labels enthalten:
- Als hausgemacht gilt ein Gericht, das vollständig an Ort aus Rohprodukten oder traditionell in der Küche verwendeten Produkten zubereitet ist.
- Ein Gericht gilt als an Ort zubereitet, wenn es in den Räumen des Betriebs hergestellt wird, in dem es zum Verkauf oder zum Konsum angeboten wird. Ein hausgemachtes Gericht kann jedoch auch an einem anderen Ort als dem Verkaufs- oder Konsumort zubereitet sein, wenn es sich um einen Traiteur- oder Mobilbetrieb handelt.
- Ein Produkt gilt als Rohprodukt, wenn es sich um ein Nahrungsmittel handelt, das keiner Veränderung durch Erhitzen, Marinieren, Assemblage oder eine Kombination dieser Prozeduren unterzogen wurde.

Verwendet werden dürfen aber:
- gerüstete, geschälte, tranchierte, geschnittene, zerteilte, gehackte, geputzte, ausgebeinte, enthäutete, enthülste, zugeschnittene, gemahlene oder zerkleinerte Lebensmittel
- gedörrte und geräucherte Lebensmittel
- gekühlte, tiefgekühlte, gefrorene und vakuumverpackte, nicht blanchierte Lebensmittel.

Verwendet werden dürfen ausserdem:
- Gepökeltes, Würste, Fleischwaren, mit Ausnahme von Terrinen und Pasteten
- Käse, Butter, Rahm, Milchprodukte, Tofu
- Speisefette
- eingemachte Gemüse und Früchte,
- Brot, Mehl, Paniermehl
- nicht gefüllte trockene Teigwaren und Getreide (Haferflocken, Dinkel und so weiter)
- gesäuerte Gemüse (rohes Sauerkraut, rohe Sauerrüben et cetera)
- blanchierte Innereien (Kutteln und so weiter)
- Konserven in Essig oder Öl
- Tomatenkonserven ohne Gewürze
- Eier, getrennt
- Hefe, Gelatine, Würzmittel, Gewürze, Kräuter
- Essig, gekochter Wein, Raisinée
- Schokolade, Kaffee, Tee, Kräutertee
- Sirup, Wein, Schnaps, Likör
- roher Blätterteig, Blätter aus Brickteig, Filoteig

Mehr Informationen, die Karte aller teilnehmenden Betriebe und die Unterlagen zur Anmeldung gibt es hier.