«Wir stellen fest, dass Küchen oft noch wie in den Siebzigerjahren geplant und gebaut werden.»
Melanie Kempf und Sebastian Funck, Wirtschaft im Franz, Zürich: «Wir spüren, dass die Gastronomie im Wandel ist. Wenn sie weiterhin erfolgreich sein will, muss ein Umdenken in Sachen Ressourcen stattfinden, sowohl den personellen wie energetischen. Alte Muster der Ausnutzung und starre Hierarchien gehören abgeschafft, es braucht neue Modelle der Zusammenarbeit. Nur in einem Klima des Miteinanders ist es möglich, Verantwortung wirklich aufzuteilen – die Grundvoraussetzung für die Vereinbarkeit von Arbeit im Restaurant mit dem Privat- respektive gleichberechtigten Familienleben. Die Küche der Zukunft sollte zudem einen sorgfältigeren Umgang mit Wasser und Energie fördern. Integrierte Wasser- und Stromzähler können versteckte Energieschleudern und Arbeitsgänge, die viel Wasser verbrauchen, aufdecken. Allgemein würde es Sinn ergeben, Wasser zu rezyklieren und Abwärme zu nutzen. Und überfällig ist die Erfindung einer Vakuumbeutel-Alternative aus nachhaltigem Material, die gut funktioniert.»
Tarik Lange, Küchenchef, Park Hyatt, Zürich: «Die Profiküche der Zukunft wird einfacher: mehr Regionalität, weniger exklusiv, dafür durchdachter. Im Zentrum stehen neue Geräte, Techniken und Abläufe. Parallel dazu werden wir abhängiger vom Personal und müssen schauen, dass wir dieses zufriedenstellen. Neben Konzeptuellem wie zum Beispiel Trendküchen, Pop-ups oder veganer respektive vegetarischer Kost beschäftigen uns Intoleranzen und Allergene zunehmend. Was gekocht und zubereitet wird, ist von den Ressourcen und von den Gästen vorgegeben.»
Rolf Caviezel, Freestylecooking GmbH, Grenchen: «Meine Küche der Zukunft ist beweglich, teils sogar auf Rädern, sodass ich flexibel bin und die Küche in einen Gastraum umfunktionieren kann. Dank integrierten Magnetrührern in den Pfannen kann ich Saucen oder Suppen autonom laufen lassen – auch mit weniger Mitarbeitenden. Der Gefriertrockner wird zum Standardgerät. Ausserdem verfügt meine Zukunftsküche über einen Biotrockner, mit dem ich aus Essensresten Erde zum Weiterverkaufen machen kann. Für meine Küche der Zukunft bräuchte es als Mitarbeitende mehr Querdenkerinnen und Querdenker; die allgemeine Lehre gäbe es nicht mehr wie bis anhin, sondern in Form eines Basis-Küchensemesters mit anschliessenden Weiterbildungen auf verschiedenen Spezialgebieten in dafür geeigneten Betrieben.»
Ludovico de Vivo, Küchenchef Château Gütsch, Luzern: «Die Küche der Zukunft ist die Ernährung der Zukunft. Wenn es 2050 tatsächlich etwa zehn Milliarden Menschen geben sollte, ist viel zu tun, und zwar heute. Die Küche der Zukunft wird eine echte, verantwortungsvolle und nachhaltige Küche sein, die auf die Verwendung von gesunden Rohstoffen achtet. Eine lokale Küche mit mehr Respekt gegenüber dem Planeten. In den letzten zehn Jahren haben sich die Prioritäten der Konsumentinnen und Konsumenten bereits entwickelt – und tun das weiter. Besonders dringend sind ein verantwortungsvoller Umgang mit den Energieressourcen und eine sorgfältige Verwendung von Rohstoffen. Den Aufbau eines gemeinsamen Projekts zur Wiederverwertung von Abfällen – nicht nur von Lebensmittelabfällen – halte ich für angemessen. Ich glaube jedoch nicht, dass es einer besonderen Erfindung bedarf. Die Technologie ist in der globalen Gastronomie vorhanden, aber sie wird sich in der Lebensmittelindustrie von der Produktion bis zum Vertrieb stark entwickeln. Das Internet ist dabei eine grosse Hilfe, in- dem es Plattformen für den Austausch schafft. Die Beschäftigten in der Branche müssen sich an die technologische Entwicklung anpassen, indem sie sich stark an den Kreations-, Produktions- und Entwicklungsprozessen beteiligen. Abschliessend glaube ich, dass die Kundschaft während des Lebensmittelprozesses immer präsenter sein wird und die gesamte Fertigungskette verfolgen kann.»
Sebastian Zier und Richard Schmidtkonz, Einstein Gourmet, St.Gallen: «Die Zukunftsküche ist gesund, wenn möglich regional, reduziert, produktbezogen und nachhaltig. Wir müssen vermehrt auf Allergien und Unverträglichkeiten Rücksicht nehmen und flexibel auf Trends reagieren. Für die Küche der Zukuft gilt es, Mit- arbeitende an sich zu binden und eine gute Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Geregelte Arbeitszeiten und ein fairer Lohn sollten keine Fremdwörter sein. Planerisch braucht es mehr Platz: Oft sind die Küche sowie insbesondere Kühlhäuser und Froster schlicht zu klein. Das erschwert es, neue Arbeitsprozesse einzuführen und effizient zu arbeiten. Apropos: Wir wünschten uns einen Thermomix mit grösserem Fassungsvermögen.»
Stefan Medwenitsch, F&B-Manager, Le Grand Bellevue, Gstaad: «Die Profiküche der Zukunft ist nachhaltig, regional, saisonal, puristisch, schlicht – aber mit Qualität. Als grösste Herausforderungen sehe ich den Klimawandel, den Generationenwechsel, das Thema Tierwohl und die Preisgestaltung. Die Abläufe in der Küche der Zukunft müssen vereinfacht werden, weil wir immer weniger Fachkräfte zur Verfügung haben – und mehr Gäste kommen werden. In diesem Sinne bräuchte es für die Küche der Zukunft vor allem mehr motivierte Menschen, die den Beruf in der Gastronomie leben und lieben.»
Michaela Frank, Küchenchefin, Kultur Lokal Rank, Zürich: «Ich denke, dass die Küche der Zukunft flexibler ausgelegt sein wird. Eine strikte Einteilung der Posten etwa ist je nach Konzept nicht sinnvoll, ein fluiderer Aufbau spielt uns da in die Hände. Im Rank sind die meisten Geräte nicht fix verbaut, sodass wir eine Herdplatte auch mal gegen ein Sous-vide-Gerät austauschen können. Wir brauchen künftig eine modulare Bauweise, um die Organisation individueller zu gestalten und Prozesse neu zu denken. Generell sollte die Küche der Zukunft die Fragen der Nachhaltigkeit mehr verinnerlichen, auf Ressourcenverschleiss geachtet, energiearm und mit nachhaltigen Materialien gearbeitet werden. Ein Thema, das meines Erachtens auf uns zukommt, ist das Upcycling von alten Geräten und Küchen. Neu ist oft nicht die nachhaltigste Lösung, und ich fände es schön, wenn die Geräte wieder für eine längere Nutzung gebaut würden. Die Digitalisierung bringt zwar viele Vorteile, aber die Lebenszyklen moderner Geräte sind oft viel kürzer.»
Roger Reuss, Key-Account-Manager, Hugentobler Schweizer Kochsysteme AG, Schönbühl: «Ein 08/15-Küchenmanagement hat keine Zukunft. Da spielen standardisierte Prozesse, die zeitunabhängige Vorproduktion, Inhouse-Convenience in höchster Qualität und der regionale Einkauf die tragende Rolle. In erster Linie muss die Küche der Zukunft den Gästebedürfnissen gerecht werden: Gefordert sind Regionalität, Nähe und Transparenz sowie eine ‹hausgemachte› Küche in guter Qualität. Dafür braucht es in Anbetracht des Fachkräftemangels neue Arbeitszeitmodelle, mehr Wertschätzung und höhere Löhne. Wir stellen fest, dass Küchen oft noch wie in den Siebzigerjahren geplant und gebaut werden. Wie in der Zeit also, in der Effizienz und Fachkräftemangel kein Thema waren. Heute sind jedoch Systeme gefragt, die ein effizientes Arbeiten und Prozessmanagement ermöglichen. Ich denke nicht, dass es spezielle Erfindungen braucht, sondern dass es vielmehr darum geht, bereits auf dem Markt erhältliche Geräte und Kochsysteme richtig zu ver- netzen und anzuwenden. Leider lernt man das noch nicht in Berufs- oder Hotelfachschulen. In der Küche der Zukunft sind zudem die Menschen ge- fordert; von ihnen braucht es Offenheit, Neugierde und den Willen, gewisse Pfade zu verlassen.»
Sandra Schirmeier, Co-CEO und Leitung F&B, Hiltl AG, Zürich: «Die Küche der Zukunft ist von viel Arbeitsfläche und mobilem Geräteinventar geprägt: Sie passt sich dem Angebot an. Zudem wird sie energieeffizienter und gewährleistet eine ‹Gute Herstellungspraxis› auf kleinem Raum. Heute moderne Kochtechniken werden zum Standard, während weitere hinzu- kommen, die uns noch fremd sind. Zudem hält die Digitalisierung Einzug und überholt verstaubte Prozesse. Der Personalmangel in der Branche sowie die Ansprüche der Arbeitnehmenden veranlassen Gastronominnen und Gastronomen zum Umdenken und zur Veränderung des Angebots. Zusätzlich gilt es, Themen wie Energie und Energierückgewinnung zu beachten. Neben den wichtigsten Punkten Digitalisierung, Energieeffizienz und Hygiene plädiere ich in der Küche der Zukunft für mehr Einfachheit in der Bedienung. Weg mit der zunehmenden Administrierung der Küche, mit den unnötigen Displays und Touch-Feldern – und zurück zu den einfachen Knöpfen!»
Andreas Handke, Küchenchef, Bei Babette, Zürich: «Wenn es um die Küche der Zukunft geht, sehe ich diverse Herausforderungen, auf welche die Gastronomie vermehrt eingehen muss. Stark zusammengefasst, gehören dazu zum Beispiel die Verantwortung gegenüber der Natur, die Schliessung von Kreisläufen oder die Forderung von Öko- und Gesundheitskennzeichnungen. Die Küche der Zukunft ist an solche Herausforderungen angepasst. Und sie wird von Profis geführt; von gut ausgebildeten Fachleuten also, die auf soziale, ökologische und ökonomische Faktoren Rücksicht nehmen. Da haben wir – die Verbände, Berufsschulen und Ausbildnerinnen und Ausbildner – viel aufzuholen, um den Beruf wieder attraktiver zu machen. Darüber hinaus sollten Themen wie Energie(kosten), Recycling und Zero Waste unbedingt in die Planung der künftigen Küche einfliessen. Dass es dafür neue Erfindungen braucht, glaube ich nicht – im Gegenteil: Alles ist im Überfluss vorhanden. Ich plädiere für die Rückbesinnung auf unsere Wurzeln. Wofür brauchen wir einen Infrarotofen? Ein offenes Feuer in der Profiküche ist doch viel spannender.»
Stephan Widmer, Head of Culinary Development and Menuplanning, Compass Group, Kloten: «Die Profiküche der Zukunft setzt auf Multifunktionalität, Energieeffizienz und Digitalisierung. Der Fokus liegt auf der Optimierung von Prozessen und der Arbeitsteilung. Ausserdem wächst das Interesse an einer integrierten Produktion, zum Beispiel in Form eines Minigewächshauses für Salate und Kräuter. Parallel dazu muss die Küche der Zukunft der Tatsache gerecht werden, dass kaum mehr gleichzeitig viele gelernte Köchinnen und Köche darin stehen werden. Sie schafft es, multifunktional, digital und innovativ bei unveränderter Personalstärke mitunter grössere Volumina zu bewältigen. Bezüglich Fachkräftemangel sind zwei Punkte essenziell: Die oft noch immer im Keller untergebrachte Küche braucht mehr Tageslicht. Zusätzlich ist eine gute Planung notwendig, die Effizienz und einen reibungslosen Ablauf sicherstellt und so zur Zufriedenheit der Mitarbeitenden beiträgt. Ein weiterer Aspekt ist der Anspruch auf Gästeseite nach Transparenz: Frontcooking oder Events wie Kitchenpartys gewinnen an Bedeutung, genauso wie eine umfassende Information über Produkte, deren Herkunft oder Allergene.»
Tino Staub, Executive Chef, Widder Hotel, Zürich: «In der Industrie wird künftig noch mehr mit Geräten ‹gekocht› und standardisiert, während in den Hotel- und Restaurantküchen immer noch Menschen gebraucht werden, die ein Erlebnis bieten. Entsprechend ist eins der grossen Themen für die Profiküche der Zukunft, Leute zu finden, die Freude am Beruf haben, ihnen eine gute Infrastruktur und ein gutes Arbeitsumfeld zu bieten. Parallel dazu gilt es, die Prozesse zu optimieren, sodass man auch mit Teilzeitmitarbeitenden und ungelerntem Personal die gewünschte Qualität erreicht. In der baulichen Planung sind je nach Betrieb individuelle Bedürfnisse zu berücksichtigen, auf jeden Fall sollte aber darauf geachtet werden, dass ein effizientes Arbeiten möglich ist, genug Produktions- und Lagerfläche zur Verfügung stehen und die Wege kurz sind.»