01.10.2019 Salz & Pfeffer 7/2019

Im Dialog

Text: Sarah Kohler – Fotos: Njazi Nivokazi
Im Restaurant Memories in Bad Ragaz hat Sven Wassmer eine neue Heimat gefunden. Hier ist er mit einer ambitionierten Truppe am Werk – und heisst Gäste auch mal am Herd willkommen.
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«Das ist für mich die neue Form von Gastlichkeit.»

Er sei gut gestartet, sagt Sven Wassmer (32), während er das Bergheu im Brotkorb zurechtzupft und die einzelnen Halme in aller Ruhe arrangiert. Keine Spur von den Strapazen einer Eröffnung, wie sie der Culinary Director des Grand Hotels Quellenhof in Bad Ragaz und damit Herr über die Restaurants Memories sowie Verve by Sven gerade hinter sich hat. Der Chef wirkt tiefenentspannt.

Das mag daran liegen, dass Wassmer und sein Kernteam genug Zeit hatten, sich vor dem Opening einzuspielen und er eine schlagkräftige Truppe an seiner Seite weiss, zu der neben Gattin Amanda Wassmer-Bulgin, die als Wine Director fungiert, auch Ausnahmepatissier Andy Vorbusch (früher The Dolder Grand, Zürich) und Souschef Benedikt Gerster (ehemals 7132 Silver, Vals – gemeinsam mit Wassmer) gehören. Vielleicht rührt die Gelassenheit aber auch daher, dass sich Wassmer in einem Umfeld bewegt, das für ihn und mit ihm konzipiert wurde. Seine unverkrampfte Detailliebe in der Küche findet beim Gast am Tisch genau wie im Raumdesign eine nahtlose Fortsetzung. So gibts im Memories «nur gute Plätze»; von der diskreten Ecke bis zum Tresenplatz mit direktem Blick auf die offene Küche.

Im Memories arbeitet die Brigade an drei parallel platzierten Arbeitsblöcken – ohne Pass an der Stirnseite, der den Gast vom Geschehen in der Küche trennen würde. «Wir pflegen den Dialog, ohne Barrieren», sagt Wassmer, «das ist für mich die neue Form vom Gastlichkeit.» Und so darf, wer mag, mit den Köchen auf Tuchfühlung gehen, ihnen über die Schultern schauen oder beim Fertigstellen des eigenen Gerichts allenfalls sogar assistieren.

Nah dran ist Wassmer mit seiner Schweizer alpinen Küche auch an den Produzenten. Seinem langjährigen Partner Marcel Foffa widmet der Küchenchef gar eine Vorspeise: «Marcels Gemüsegarten» ist das Gericht, für das Wassmer aktuell die meisten Handgriffe braucht, und steht sinnbildlich für den Wert, den die Arbeit des Gemüsebauers hat, für Respekt und Verbundenheit. All das offenbart sich auch, wenn sich Wassmer und seine Mitstreiter in die Produktion vertiefen. Bleibt die Frage: Wer ist hier eigentlich der Perfektionist? Wassmer schweigt einen Moment, denkt nach. «Wenn es einem hier zu genau zu und her geht», sagt er schliesslich, «bleibt er nicht lange hier.» Der Chef lacht – ganz entspannt, aber durchaus ernst.

Sven Wassmer Memories
Grand Resort Bad Ragaz
Bernhard-Simonstrasse, 7310 Bad Ragaz
081 303 30 36
www.memories.ch

Marcels Gemüsegarten
Marcels Gemüsegarten
Weisses Alpenschaf aus dem Berner Oberland, Wiesenkräuter, Föölabrot
Weisses Alpenschaf aus dem Berner Oberland, Wiesenkräuter, Föölabrot
Knuspriger Salat
Knuspriger Salat

Marcels Gemüsegarten

Gestockte Sonnenblumenkernmilch
200 g infusierte Sonnenblumenkernmilch (über Nacht mit 30 g gerösteten Sonnenblumenkernen produziert) | 10 g Rahm | 4 g Buttermilch | 1,6 g vegetarisches Lab

Alles zusammenrühren und in Portionen à 55 g abfüllen. An einem Ort, der mindestens 42°C hat, stocken lassen.

Essigmarinade
100 g Bio-Apfelessig | 100 g Zucker | 10 g Salz

Alle Zutaten zusammen aufkochen und abkühlen lassen.

Estragonöl
100 g Estragon | 50 g frischer Spinat | 200 g Traubenkernöl

Den Estragon hacken und mit dem Öl und Spinat im Thermomix mixen. Sobald die Zutaten klein sind, für 6 Minuten auf 60°C mixen, sodass sich Geschmack und Chlorophyll lösen. Passieren und kalt stellen.

Eingelegte Senfsaat
Die Senfsaat mindestens
viermal blanchieren, damit sich die Bitterstoffe lösen. Am Ende in die Essigmarinade einlegen.

Geröstete Sonnenblumenkerne
Die Sonnenblumenkerne bei 160°C
für 10 Minuten im Ofen rösten, bis sie leicht Farbe bekommen.

Saisonales Gemüse, Wildkräuter, essbare Blumen
Das Gemüse
auf dem Gemüsehobel dünn hobeln, teils einsalzen (2 %), teils in der Essigmarinade sauer einlegen und den Rest einfach roh lassen.

Weisses Alpenschaf aus dem Berner Oberland, Wiesenkräuter, Föölabrot

Brennnesselpüree
100 g blanchierter Spinat | 120 g blanchierte Brennnesselblätter | 30 g Butter | 3 g Salz

Alles zusammen im Vitamix zu einem feinen Püree mixen.

Lammkoteletts
4 Stück Lammkoteletts vom weissen Alpenschaf | etwas Rapsöl

Temperierte Lammkoteletts mit etwas Öl einreiben und auf dem Grill garen, bis eine Kerntemperatur von 54°C erreicht ist.

Föölabrot
100 g 550er-Weizenmehl | 50 g Weizenvollkornmehl | 15 g Zucker | 95 g Eier | 14 g Frischhefe | 25 g Weizensauerteig | 22 g Butter | 30 g Heubutter (Butter erhitzen und mit 5 g Bioheu infusieren) | 7 g Salz | 13 g Fööla (brauner Satz, der beim Einkochen von Butter übrigbleibt) | 60 g karamellisiertes Zwiebelpüree (dafür 3 Zwiebeln in Ringe schneiden, in etwas Butter bei niedriger Temperatur dunkel karamellisieren und zu einem feinen Püree mixen)

Für den Teig am Vortag alle Zutaten ausser die beiden Butter und das Zwiebelpüree in der Küchenmaschine vermengen. Anschliessend auf den Knethaken wechseln. Nach und nach die Butter einarbeiten (auf 3 Mal). Den Teig über Nacht abgedeckt im Kühlschrank gehen lassen. Am nächsten Tag auf eine Dicke von zirka 2 mm ausrollen, mit dem Zwiebelpüree bestreichen und zu einer «Schnecke» aufrollen. Nochmals für 1 Stunde in den Kühlschrank stellen und schliesslich in 2,5 cm dicke Scheiben schneiden. Jeweils drei Schnecken in einen bemehlten gusseisernen Topf (10 cm Durchmesseer) legen und an einem warmen Ort 3 Stunden gehen lassen. Bei 195°C im vorgeheizten Ofen 15 Minuten backen. Das lauwarme Brot zum Servieren mit brauner Butter bepinseln.

Wildkräuter
Wilde Wiesenkräuter, die in der Umgebung wachsen | Bärlauchkapern | eingelegte Bärlauchblüten

Jus
2 kg Kalbsknochen | 400 g Zwiebeln | 3 Knoblauchzehen | 1 Blatt Lorbeer

Produktion am Vortag: Knochen bei 180°C im Ofen 70 Minuten rösten. Gleichzeitig die Zwiebeln mit dem Knoblauch im Topf karamellisieren. Alles zusammen in einem Topf mit 3 l kaltem Wasser ansetzen. Langsam erhitzen und konstant Schaum und Fett abnehmen. Über Nacht im Kühlhaus abkühlen lassen, am nächsten Tag aufkochen, passieren und bis zum gewünschten Geschmack reduzieren.

Knuspriger Salat

Sirup
250 g Zucker | 250 g Wasser | 100 g Glukosesirup

Sirup kochen und abkühlen lassen. Gewünschte Salatblätter für zwei Tage darin einlegen und anschliessend im Dörrautomat trocknen.

Milcheis
500 g Vollmilch | 125 g Rahm | 63 g Zucker | 32 g Magermilchpulver | ½ Blatt Gelatine

Alle Zutaten auf 85°C erhitzen. Eingeweichte Gelatine in die warme Masse geben und im Pacojet-Becher einfrieren.

Gurken-Dill-Granité
125 g grüne Äpfel | 55 g Dill | 150 g Gurken | 50 g Eiswürfel | 12 g Glukosesirup | 2,5 g Salz | 25 g Spinat

Die Äpfel und Gurken entsaften und mit den anderen Zutaten im Vitamix mixen. Anschliessend in einer Metallschüssel einfrieren und jede halbe Stunde mit einer Gabel umrühren, bis es eine schöne Granité ist.

Erbsencrème
100 g Erbsen | 50 g Joghurt

Erbsenpüree mit dem Joghurt verrühren und bis zum Gebrauch kalt stellen.

Anrichten

Pro Portion drei kandierte getrocknete Salatblätter dünn mit der Erbsencrème bestreichen. Einen kleinen Löffel Milcheis darauf platzieren, frische Salatblätter und ein Stück getrocknete Milchhaut. Dann die Blätter aufeinandertürmen (ähnlich wie bei einem Millefeuille). Das oberste Blatt ohne Crème daraufsetzen. Zwei Löffel Granité darüberfallen lassen und direkt servieren.