«Was die Lieblingsenkelin angeht, hatte mein Grossvater nicht viel Auswahl.»
Wie war es, mit gerade einmal 27 Jahren auf einen Patron wie Ihren Grossvater zu folgen?
Stéphanie Portmann: Lehrreich, turbulent, atemlos: Ich wurde ins kalte Wasser geworfen.
Wie haben Sie schwimmen gelernt?
By doing, wie man so schön sagt. Ich erhielt dabei viel Unterstützung von langjährigen Mitarbeitenden. Mir war von Anfang an bewusst, dass ich es mit Spezialisten zu tun habe, von denen ich lernen kann, die besser Bescheid wissen als ich. Trotzdem erwischt es einen kalt, wenn es heisst: So, da ist dieser Posten, jetzt mach mal. Die grösste Herausforderung lag darin, herauszufinden, wie meine Rolle im Betrieb aussieht, welches meine Aufgaben sind. Da war nichts dokumentiert. Dass meine Rolle eine andere sein würde als die meines Grossvaters, war klar.
Warum?
Wie Sie sagten: Mein Grossvater war ein Patron. Er führte aus dem Bauch heraus, mit 83 Jahren hatte er dazu auch genügend Erfahrung. Er schaute zweimal pro Woche vorbei und verteilte Aufträge, seine Kontakte mit Mitarbeitenden waren eher punktuell. Er meldete sich, wenn er eine Idee hatte oder ihm etwas nicht passte. Mir wurde schnell klar, dass ich mehr Struktur brauche und näher an den Mitarbeitenden sein will. Ich führte zum Beispiel regelmässige Reportings ein oder ein wöchentliches Gespräch mit jedem Geschäftsführer. Das half mir, einen Überblick zu bekommen, ein Gespür für die einzelnen Mitarbeitenden und Betriebe. Überhaupt bin ich viel in den Betrieben unterwegs, das ist mir wichtig.
Wie war die Resonanz in der Branche, als Sie das Erbe ihres Grossvaters antraten?
Durchwegs positiv. Klar, als Frau und so jung war ich eine Exotin, vor allem in den Branchen- und Wirtschaftsbänden, in denen ich meinen Grossvater ablöste. Fred Tschanz war in der Zürcher Gastronomie eine grosse Persönlichkeit gewesen, entsprechend stark war darum das Interesse an meiner Person: Die Leute wollten genau wissen, wer da jetzt kommt.
Auf Ihnen lag grosser Erwartungsdruck.
Mein Vorteil war, dass der Unterschied von meinem Grossvater zu mir – allein, was Alter, Geschlecht und Generation betrifft – so gross und es damit sinnlos war, uns vergleichen zu wollen. Das war befreiend. Wäre ich ein junger Mann gewesen, der das Zepter von seinem Vater übernimmt, hätte ich an dieser Stelle sicher mehr Druck verspürt.
Schlagzeilen wie «Die Lieblingsenkelin übernimmt» könnten aber auch den Eindruck erwecken, Ihnen sei alles in den Schoss gefallen.
Was die Lieblingsenkelin angeht, hatte mein Grossvater nicht viel Auswahl, es gab nur eine. Dass ich dieses Unternehmen mit nur 27 Jahren übernehmen konnte, habe ich meiner Rolle als Enkelin von Fred Tschanz zu verdanken, da muss ich mir nichts vormachen. Aber eine Position bekommen und sie auch halten, ausführen und entwickeln zu können, das sind zwei Paar Schuhe. Der Job will gemacht sein, und ich kann anpacken. Ich bin im Bauschänzli grossgeworden, habe auf der Insel im Service gearbeitet, seit ich 17 war, die Bar gemacht, Nachtreinigungen am Oktoberfest. Später war ich dort auch stellvertretende Geschäftsführerin.
Eine Fingerübung angesichts dessen, was Sie ein Jahr später erwartete.
Das würde ich so nicht sagen. Mich hat der Job gefordert, so gleich nach der Hotelfachschule. Dann kündigte mein Chef, ich hatte die Chance auf die Position als Geschäftsführerin und nahm sie an. Nur ein Jahr später starb mein Grossvater. Es ging Schlag auf Schlag, ich hatte keine Möglichkeit, mich in einer Position zu festigen, weil immer gleich die nächste Station rief. Mein Grossvater hatte mich ja bereits zu Lebzeiten zur Nachfolgerin bestimmt – die Umstände für meinen Start hatten wir uns etwas anders erhofft. Fürs Einarbeiten blieb keine Zeit mehr.
Hatten Sie je Zweifel, über das nötige Rüstzeug zu verfügen?
Klar. In solchen Momenten rief ich mir in Erinnerung, dass mein Grossvater gewollt hatte, dass ich sein Erbe antrete – weil er der vollen Überzeugung gewesen war, dass ich dazu auch in der Lage bin. Ich werde das Unternehmen in seinem Sinn und Geist weiterführen, will es aber auch mit meinem eigenen Stempel prägen.
Wie macht sich dieser bemerkbar?
Zunächst habe ich im Einkauf einiges umgestellt: Es gibt in unseren Betrieben jetzt nur noch Schweizer Fleisch und zertifizierten Fisch. Zudem verwenden wir ausschliesslich Freilandeier, auch in verarbeiteten Produkten. Im Bauschänzli habe ich den Hummer von der Karte gestrichen. Hummer, Foie gras und so, das passt nicht zu unserer Philosophie, Gastgeber für jedermann zu sein. Dann habe ich vor drei Jahren in allen Betrieben Ökostrom eingeführt. Das kostet relativ viel, ist mir aber wichtig. Beim Thema Nachhaltigkeit geht es mir aber nicht nur um die Umwelt.
Sondern?
Ein Schwerpunkt meiner Arbeit besteht zurzeit darin, eine bewusste Mitarbeiterpflege zu kultivieren. Das beginnt mit kleinen Dingen: Dass man Geburtstagsgeschenke macht, Dienstjubiläen feiert, Mitarbeiteranlässe nicht zu kurz kommen lässt. Wir sind auch daran, ein Vorteilsprogramm auszuarbeiten, damit langjährige Betriebszugehörigkeit und gute Leistungen entsprechend anerkannt werden. Unser Betrieb soll eine attraktive Arbeitgeberin sein – und auf diesem Weg, hoffe ich, gute Mitarbeitende anziehen.