Ihre Signature-Kreation – das Rindertatar – machen Sie seit sechs Jahren. Wie ist sie entstanden?
Patrick Mahler: Wir haben einen Stammgast, der Gerichte mit Entenleber liebt. Also dachten wir uns für ihn immer wieder andere Variationen aus – und das war eine davon: ein mariniertes Rindertatar mit einer leicht geräucherten Randenmarinade, klassisch abgeschmeckt, dazu dehydrierte und rehydrierte Randenwürfel, ein dünner Gelee aus frischem Randensaft, knusprige Reisperlen und als Clou das kühle Entenleberglace. Der Stammgast schwärmte so vom Gericht, dass wir es auf die Karte nahmen, und inzwischen steht es fix drauf. Es passt gut zu uns – nicht nur deshalb, weil die Rande farblich mit den lila Akzenten im Restaurant harmoniert.
Wobei das Setting, das ganze Drumherum, für das Gästeerlebnis ja entscheidend sei, sagen Sie.
Richtig. Was auf dem Teller liegt, was wir kochen, ist nur ein Teil: Das ist mir und dem gesamten Team, inklusive Service, wichtig. Wir machen uns Gedanken: Was passiert am und auf dem Tisch? Welche Materialien verwenden wir? Welche Formen? Wir haben uns für jedes Holz, jedes Stück Porzellan, jedes Glas bewusst entschieden.
Worauf achten Sie konkret?
Ich möchte auf keinen Fall eine Geschirr-Konfettishow! Das Set-up soll für eine gewisse Ruhe sorgen, eine organische Zusammenstellung sein: dezent und stimmig. Cooles Geschirr gibt es überall, aber die richtige Kombination zu finden, ist gar nicht so einfach. Bei jedem Stück schauen wir, wie es sich einfügt, wie es zum Rest passt – und so ergibt sich ein Konstrukt an Möglichkeiten, aber eben auch eine Linie. Und die muss man sich erst einmal erarbeiten.
Sie sind seit 2013 im Park Hotel Vitznau tätig, haben verschiedene Stationen durchlaufen. Woran denken Sie, wenn Sie die Zeit Revue passieren lassen?
Ich bin unfassbar stolz und glücklich. Es gab in all den Jahren keinen Stillstand. Auch heute noch geht es immer weiter, und das ist etwas vom Schönsten – wenn nicht das Schönste überhaupt – an unserem Beruf: Ich entdecke stetig Neues, werde inspiriert, bekomme Impulse, treffe Menschen. All das bringt mich persönlich voran, und so kommen Gedanken auf, die vor wenigen Jahren vielleicht noch keine Rolle spielten. Das kann eine Kochtechnik sein, ein Produkt oder eben ein Geschirrteil, das ich plötzlich überdenke. Und so tasten wir uns immer näher ans Gesamtbild heran, in dem jedes Detail stimmt.
Das klingt aber auch so, als würde es nie fertig.
Das ist so. Und ich finde es toll und herausfordernd zugleich. Da ist kein Ende in Sicht, nichts ist je perfekt. Selbst der beste Koch, die beste Köchin auf dem Planeten muss jeden Tag aufs Neue ran an den Herd und alles geben.
Gerade Sie sind für Ihre Konstanz auf hohem Niveau bekannt, halten seit 2019 zwei Sterne und 18 Punkte. Steckt da wirklich noch so viel Bewegung drin?
Unbedingt. Ich bin glücklich, dass wir schon so lange auf einem so hohen Level kochen, aber ich habe nicht den Eindruck, dass wir uns darauf ausruhen könnten oder sollten. Ich will weiterkommen und bin immer auf der Suche nach ... nennen wir es: Glückseligkeit. Nicht für mich, sondern für alle, insbesondere die Gäste. Und dafür muss eben alles perfekt ineinandergreifen.
An welcher Stelle kommt in diesem Zusammenspiel das Essen?
Das ist eine schwierige Frage. Es gibt sicher Köchinnen und Köche, die der Meinung sind, dass nur das Resultat auf dem Teller zählt – ungeachtet davon, ob in der Küche dafür drei Leute weinend in der Ecke stehen und im Service alle sauer sind. Sprich: Eigentlich stimmt gar nichts, aber das Gericht muss genau so sein. Ich sehe das anders: Wir bringen im Focus nur dann die beste Leistung auf den Teller, wenn wir uns alle wohlfühlen. Mit Wut lässt sich ohnehin nicht erzwingen, dass jemand besser kocht. Vielmehr geht es darum, dass die Köchinnen und Köche selber ein Gespür für die Gerichte entwickeln. Davon profitiere am Ende auch ich als Chef.
Und wie erreichen Sie das?
Ich übertrage meinen Leuten von Anfang an viel Eigenverantwortung und vertraue ihnen. Natürlich probiere und kontrolliere ich den ganzen Tag – aber wohlwollend. Ziel ist es, dass meine Mitarbeitenden das, was wir uns für ein Gericht überlegt haben, möglichst gut umsetzen wollen. Das Team soll ohne mich genau gleich arbeiten und abschmecken – sodass nicht auffallen würde, wenn ich nicht da wäre.