11.10.2022 Salz & Pfeffer 5/2022

Keine Hexerei

Text: Sarah Sidler – Illustration: Philip Schaufelberger
Wer mit pflanzenbasierten Gerichten die Speisekarte erweitert, spricht eine breitere Zielgruppe an. Es sind nur wenig neue Produkte nötig, um das Angebot zeitgemäss auszurichten.
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«Die Gäste sind neugierig und wollen neue pflanzliche Alternativen und Gerichte ausprobieren.»

In der Schweiz lebten 2021 rund 4,1 Prozent Veganerinnen und Veganer, was zirka 36 000 potenziellen Gästen entspricht. Das sind 0,3 Prozent mehr Menschen als 2020, die auf Produkte tierischen Ursprungs verzichten. Die Zahlen stammen aus einer Studie von Statista, in der jene Menschen, die teilweise auf Fleisch- und Milchprodukte verzichten, nicht mitgezählt sind – eine Gruppe, die ebenfalls stetig wächst. Laut einer weiteren Studie wünschen sich 24 Prozent der Gäste verstärkt pflanzenbasierte Produkte auf der Speisekarte, und gar 27 Prozent würden Gastrobetrieben, die pflanzliche Produkte verwenden, eher Beachtung schenken. 

Gemeinsam entwickeln
Dass es keiner Hexerei bedarf, vegane Gerichte anzubieten, beweist das Restaurant Tibits. Schon als das erste Lokal der Kette vor 22 Jahren seine Türen öffnete, waren auf dem Buffet zahlreiche pflanzliche Gerichte zu finden. Heute ist das Angebot zu 90 Prozent vegan. Dabei setzt die Gruppe einerseits auf traditionelle Gerichte wie Linsen-Dal und Hummus, die schon seit Jahrhunderten ohne tierische Produkte zubereitet werden. Andererseits kommen möglichst regional und ohne Zusatzstoffe hergestellte, vollwertige Alternativen wie Nüsse, Pilze, Hülsenfrüchte und Getreide zum Einsatz. Für pflanzliche Drinks arbeitet Tibits mit Soyana zusammen. Damit vegane Cappuccini mit schönem Schaum daherkommen, hat das Food-&-Beverage-Team der Gastrokette den Barista-Hafer-Drink mitentwickelt. Und mit der Firma Luya kreiert es derzeit Patties und Chunks aus Kichererbsen und Okara, dem Fruchtfleisch der Sojabohne. 

«Die Gäste sind neugierig und wollen neue pflanzliche Alternativen und Gerichte ausprobieren», weiss Claire Honegger, stellvertretende Leiterin Marketing von Tibits. Hat das Food-&-Beverage-Team neue Gerichte oder veganisierte Rezepte entwickelt, werden sie erst intern getestet. Danach kommen die Gäste an die Reihe. «Deren Feedbacks helfen uns dabei, die Gerichte weiter zu optimieren», führt Honegger aus. Während das vegane Zürcher Geschnetzelte mit Seitan oder das Tatar mit Okara sehr gut ankommen, müssen die Jalapeños mit einer pflanzlichen Füllung nochmals überarbeitet werden. 

 

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Gäste informieren
Nur von Positivem nach der Umstellung auf ein veganes Angebot berichtet Rachel Strack. Die 40-Jährige betreibt mit ihrer Partnerin und Köchin Diane Bucher-Maweikere seit 2011 das indonesische Restaurant Dapur in Zürich-Oerlikon. Seit 2018 setzt das Paar komplett auf vegane Gerichte. «Wir haben privat aus ethischen Gründen aufgehört, Lebensmittel tierischen Ursprungs zu konsumieren. Deshalb stellten wir auch im Restaurant um», so Strack. Während Betriebsferien machten sich die zwei Frauen auf die Suche nach neuen Produkten und Lieferbetrieben. Weiter passten sie ihre Online-Auftritte an und informierten die Gäste über das neue Angebot. «Einige fürchteten, dass unser neues Konzept nicht funktionieren würde. Doch die meisten haben die veganen Gerichte versucht und waren mehrheitlich positiv überrascht», erinnert sich Strack. Die Zielgruppe sei heute diverser, das Dapur jetzt bekannter.

Natürlich überarbeitete das Paar die bestehenden Rezepte – und kreierte neue. «Die Herausforderung bestand darin, die richtigen Ersatzprodukte zu entdecken», erinnert sich Strack. Es sei nicht einfach gewesen, Zutaten zu finden, die viel Umami mit sich bringen. Als Ersatz für Shrimpspaste oder Austernsauce entschieden sie sich schliesslich für Produkte, die auf Pilzen oder Fermentiertem basieren. «Diese schmecken fast besser als das Original.» Wo im Dapur früher Ente verwendet wurde, kommt heute Bio-Seitan von Futur auf den Teller. Rind wird mit Jackfruit von verschiedenen Herstellungsbetrieben ersetzt, Poulet von Planted Chicken. Und das einstige Shrimpsgericht kommt jetzt mit Tempeh daher.

Wer sein Angebot komplett pflanzenbasiert aufstellen möchte, sollte zudem über die Getränkeauswahl nachdenken. «Rivella zum Beispiel ist nicht vegan», weiss Strack. Und auch bei den Weinen ist Vorsicht angesagt, da bei der Filtration zum Teil mit tierischen Hilfsprodukten wie Gelatine und Kasein gearbeitet wird.

Intern schulen
Damit ein veganes Gericht gelingt, muss es in erster Linie von einem Koch oder einer Köchin zubereitet werden, der oder die für die vegetarische und vegane Küche offen ist. Dessen ist man sich auch bei der SV Group bewusst. «Da in der traditionellen Kochausbildung der Schwerpunkt noch zu stark auf tierischen Proteinen liegt, ist es wichtig, dass wir Köche und Küchenchefinnen in unserer eigenen Academy schulen», sagt Claudio Schmitz, Head of Culinary Excellence. Dies geschieht in regelmässigen internen Weiterbildungen und Kursen, die in Zusammenarbeit mit der Hiltl Akademie in Zürich durchgeführt werden. Weil auch die Gäste der SV Group eine pflanzenbasierte Küche sehr schätzen, wird deren Anteil am gesamten Angebot laut Schmitz kontinuierlich ausgebaut. Bei jedem Food-Entwicklungszyklus kreiert das Unternehmen 50 Prozent neue vegetarische und 20 Prozent vegane Gerichte.

Verlagspartnerschaft: Der thematische Input für diesen unabhängig recherchierten Artikel stammt von der Upfield Schweiz GmbH.

Tipps für die Kreation eines veganen Angebots 


Personal ausbilden: Entsprechend geschult, wissen die Mitarbeitenden in Küche und Service über die Eigenheiten der pflanzenbasierten Küche Bescheid. 

Richtig verkaufen: den Gerichten ansprechende Namen geben, statt sie einfach als vegane Menüs anzupreisen. 

Sich an traditionellen Speisen orientieren: Falafel, Dörrbohnensalat oder Gemüsecurry sind im Original vegan. 

Umami nicht vergessen: Als Umami-Quellen können geräucherter Tofu oder geräuchertes Paprika sowie Miso (zum Beispiel aus Schweizer Bio-Erbsen oder Borlottibohnen von Das Pure, Wetzikon) dienen. 

Deftige Saucen sind möglich: Mit einem veganen Sojarahm lassen sich problemlos eine Pilzrahmsauce, Gratins oder Quiches zubereiten. 

Proteinquellen ersetzen: Tofu, Tempeh und Hülsenfrüchte können Fleisch allemal das Wasser reichen. 

Winterzeit ist Käsezeit: Verschiedene vegane Produktionsbetriebe, zum Beispiel die Schweizer Firma New Roots, bieten vegane Fondues sowie Raclette an. 

Im Trend: Saisonale Bowls können im Herbst zum Beispiel mit Gersten, Pilzen, Kürbis und Trauben serviert werden. 

An die Getränke denken: Vegane Weine auf der Karte runden das pflanzenbasierte Angebot ab.

Alternativen für vegane Kreationen


Upfield Professional
Das Unternehmen präsentiert ein breites Angebot an Milchersatzprodukten wie die pflanzlichen Rahm- und Butteralternativen von Flora professional. Auf Basis von Kokosöl stellt Upfield Professional etwa Violife-Scheiben mit Goudageschmack, den Violife-Block mit Mozzarellageschmack und den Violife Greek white her, der an Feta erinnert. Verschiedene pflanzliche Brat- und Frittieröle von Sais runden das Angebot ab.
upfieldprofessional.com

Futur Naturprodukte GmbH

Die Manufaktur produziert bereits seit 1998 Tofu, Okara, Seitan und Tempeh. Alle ihre Produkte sind mit der Bio-Knospe zertifiziert und werden ohne Konservierungsmittel und Zusatzstoffe hergestellt. 
futur-natur.ch

Planted

Das ETH-Start-up bietet Poulet, Schnitzel, Kebab und Pulled auf pflanzlicher Basis an. Neu umfasst das Sortiment auch verschiedene vegane Dumplings. Hauptbestandteile der Produkte sind Erbsenprotein, Salz und Wasser.
planted.ch