«Ich bin ein alter Hase.»
Sie sind ein gefragter Gastkoch, stehen immer wieder in der Küche von Kolleginnen oder Kollegen. Wie ist das für Sie?
Heiko Nieder: Es ist immer gleich, weil es immer anders ist. Das Gastkochen fordert mich auf jeden Fall heraus, auch wenn es Momente gibt, in denen es easy läuft – es ist und bleibt woanders. Das heisst auch immer: Orientierungslauf ! Die Gegebenheiten vor Ort unterscheiden sich, und das Team ist nicht mit dabei. Klar nehme ich jeweils auch ein paar Jungs mit, hier in St. Moritz sind wir zum Beispiel zu viert. Aber in Zürich ist das Restaurant gleichzeitig ja auch offen.
Sprich: Sie brauchen zusätzliche Leute aus dem gastgebenden Team.
Genau. Die werden mir ja jeweils auch zugesichert und in der Regel funktioniert das gut. Ich sehe das immer positiv: Das Ganze ist eine Herausforderung, aber wenn ich diese gemeistert habe, ist das ein schönes Gefühl: Ich habe dann etwas geschafft. Ich bin raus aus dem Heimischen, wo alles sicher ist. Es ist eine kleine Abenteuerreise – an deren Ende ich mich umso mehr darüber freue, was ich zu Hause habe. Das weiss ich dann wieder besonders zu schätzen. Das heisst nicht, dass es anderswo schlecht wäre, aber daheim ist einfach alles eingespielt.
Woran denken Sie konkret?
Die Zusammenarbeit mit dem Service ist meistens fast noch schwieriger als in der Küche selbst. Dinge, die bei uns im Restaurant selbstverständlich sind, Abläufe, die ich nicht mehr erklären muss, die sind an einem anderen Ort plötzlich nicht mehr so klar.
Zum Beispiel?
Wohin kommt die Sauce? Wie viel davon soll auf den Teller? Muss ich nochmals rühren, weil da ein Tropfen Öl drin ist? Solche Geschichten. Das erzähle ich im Service-Meeting zwar, aber eigentlich hat ein Team das erst verstanden, wenn der Abend vorbei ist.
Wie frustrierend ist das für Sie? Ihre Küche lebt durchaus davon, dass die Gäste am Tisch ein bisschen etwas über Ihre Kreationen erfahren.
Ich mach das ja nun schon ein bisschen länger und weiss: Man kann nicht alles haben. Ein Gast kann von mir als Gastkoch, der in einer fremden Küche steht, nicht erwarten, dass ich das exakt gleiche Programm wie daheim fahre.
Wie oft kochen Sie denn eigentlich auswärts?
Das ist unterschiedlich. In der Pandemie etwas weniger ... aber sonst vielleicht zwei-, dreimal im Jahr.
Was muss auf jeden Fall gegeben sein, damit Sie das tun?
Ich muss die Menschen mögen, die anfragen. Das ist es schon, ansonsten bin ich ein alter Hase und kann mich an das, was da ist, anpassen. Natürlich frage ich vorher ab, was vorhanden ist, und schreibe das Menü entsprechend.
Basierend auf Erfahrungwerten?
Naja, ich lag mit der Planung natürlich auch schon daneben, bereitete in der heimischen Küche zum Beispiel alles vor – und hatte vor Ort plötzlich andere Teller zur Verfügung, worauf das Mengenverhältnis nicht mehr passte. Dann müssen wir spontan umdisponieren.
Und was finden Sie am Gastkochen persönlich das Schönste?
Das Miteinander. Den Kontakt zum Küchenchef oder zur Küchenchefin im Vorfeld, das Kennenlernen neuer Leute hinter den Kulissen, die Zusammenarbeit im Team und die Begegnung mit mal anderen Gästen, auch wenn die nur kurz ist. Ausserdem ist es schön zu sehen, wenn da neugierige Köchinnen und Köche sind, die sich begeistern lassen, die mitmachen. Das ist super. Und wie gesagt: Zum Schluss ist es immer wieder auch dieser Moment des Geschaffthabens, des Meisterns. Und die Freude auf zu Hause.
Gibts eine Küche, in der Sie gerne mal noch stehen würden?
Ach, es gibt so viele. Vielleicht mal noch in einer richtig grossen in Asien? Aber eigentlich habe ich wirklich schon so viele Ausserhaus-Geschichten gemacht. Auch in den Ferien, auf den Malediven zum Beispiel, stehe ich immer mal wieder als Gastkoch am Herd. Und auch dort gehts im Endeffekt darum, dass man sich gegen- seitig versteht, dass der eine weiss, was der andere braucht. Ausserdem muss man da immer einen Plan B haben. Und C.