«Es war sehr aufregend, wobei diese Dynamik irgendwann zur Routine wurde.»
Das Kochhandwerk haben Sie im Restaurant de l’Hôtel de Ville in Crissier gelernt. Wie kamen Sie dazu?
Shaun Rollier: Seit ich 14 Jahre alt war, schnupperte ich in verschiedenen Betrieben, etwa in einer Brasserie oder aber bei Sternekoch Philippe Chevrier. Ich wollte herausfinden, welche Art Gastronomie mir gefällt. Schnell war mir klar, dass es mich in die Gourmetküche zieht. Nach einer kurzen Stage in Crissier bewarb ich mich im August 2012 für eine Stelle.
Und?
Küchenchef Frank Giovannini sagte mir, dass er keine Lehrlinge aufnehme. Im Januar kehrte ich trotzdem für zwei Wochen zurück und bewarb mich erneut. Damals sah er wohl, dass es mir wirklich ernst ist. Ich wurde angenommen und begann die Lehre im August 2013. Ich bin der einzige Kochlehrling, der in der Ära von Benoît Violier ausgebildet wurde.
Was hat Sie in dieser Zeit am meisten geprägt?
Dass immer etwas los war. Ein aussergewöhnlicher Moment jagte den nächsten. Es kamen ständig berühmte Köchinnen und Köche bei uns essen, dazu gewannen wir regelmässig Wettbewerbe und wurden auch zum besten Restaurant der Welt gekürt. Es war sehr aufregend, wobei diese Dynamik irgendwann zur Routine wurde. Erst als ich das Restaurant verliess, realisierte ich den grossen Einfluss, den das Haus auf die französische Küche ausübt.
Wohin gingen Sie?
Ein Wechsel ist schwierig, wenn man im besten Restaurant der französischen Küche gelernt hat. Ich entschloss mich für das Maison Benoît Vidal in Val d’Isere, ein Zwei-Sterne-Restaurant, das mit wenigen Mitteln, aber viel Herz wirtschaftet. Dazu absolvierte ich verschiedene Stages, etwa in einer Metzgerei und später bei einem Fischhändler. Ich wollte mich in den Berufen weiterbilden, die mit der Gastronomie zu tun haben.
2021 heuerten Sie im Restaurant Geranium in Kopenhagen an. Was halten Sie von der Neuen Nordischen Küche?
Das Design der Teller, die Ästhetik gefallen mir sehr. Diese Erfahrung hat mir auch im Wettbewerb Der Goldene Koch viel geholfen.
Aber?
Ich finde, dass der nordischen Küche die Farben, beim Gemüse manchmal auch die richtigen Garpunkte fehlen. Und es gibt schlicht weniger Platz für die persönliche Note des Kochs oder der Köchin. Alles ist sehr technisch, haargenau definiert, aber dadurch eben auch unpersönlich. Ursprünglich plante ich eigentlich, drei Jahre zu bleiben, realisierte aber bereits nach einem Jahr, dass ich dort nicht mehr viel lernen kann.
Seit Juni 2022 wirken Sie im Restaurant Valrose, geführt vom Koch des Jahres, Benoît Carcenat. Sind Sie angekommen?
Ich liebe die Berge über alles und fühle mich sehr wohl hier. Mit Benoît habe ich bereits in Crissier zusammengearbeitet, er kennt meinen Werdegang und hat mich auch in der Vorbereitung zum Goldenen Koch unterstützt.
Warum haben Sie überhaupt am Wettbewerb teilgenommen?
Erstmals vom Goldenen Koch gehört habe ich in meiner Lehrzeit, als Filipe Fonseca Pinheiro das Finale gewann. Damals beschloss ich, es dereinst auch mal zu versuchen. Der Wettkampf ist eine grosse Herausforderung. Und er generiert nationale Aufmerksamkeit. Letztes Jahr kannte mich niemand, und heute darf ich ein Interview mit Ihnen führen. Aber auch das Restaurant Valrose profitiert vom Wettbewerb, er erzeugt eine positive Energie im Haus.
Wie haben Sie sich konkret auf die Aufgabe vorbereitet?
Zuerst ging es darum, zu entscheiden, welche Küche, welche Botschaft ich vermitteln will. Und dann hat mich neben Benoît Carcenat ein ganzes Team unterstützt, etwa mit massgeschneiderten Formen aus dem 3D-Drucker oder mit Holz arbeiten für die Platten. Entscheidend war auch, dass ich die Vorbereitung fürs Finale bereits vor dem Halbfinale anging. Sonst hätte die Zeit nicht gereicht.
Das ist selbstbewusst, die Konkurrenz war ziemlich gross.
Allerdings, ich wusste natürlich, dass es schwierig wird. Im Halbfinale waren etwa Mario Garcia, der bereits an einem Bocuse d’Or partizipiert hatte, oder aber Daniele Angelosanto vom Restaurant de l’Hôtel de Ville, das ja fast immer gewinnt. Als ich das Halbfinale dann aber auf dem ersten Platz abschloss, verlieh mir das regelrecht Flügel.
Welche Botschaft wollten Sie mit Ihren Gerichten vermitteln?
Kochen bedeutet für mich teilen, mit den Gästen, aber auch mit den Produzentinnen und Produzenten. Mir bereitet es grosse Freude, die Früchte ihrer Arbeit ins Rampenlicht zu stellen. Beim Goldenen Koch ging es mir es vor allem darum, die Produkte des Pays d’Enhaut zu präsentieren. In meine Gerichte vom Halbfinale integrierte ich etwa drei Käsesorten, die nur 50 Meter vom Valrose entfernt hergestellt werden. Und ein Bauer hatte mir für die Endrunden spezielles Gemüse angebaut.
Wann genau begannen Sie mit der Vorbereitung?
Ich bin seit einem Jahr im Restaurant Valrose und hatte bis zum Finale keine Woche Ferien. Zusammen mit meinem Commis Gabriel Lopez verbrachten wir unsere Tage und Nächte mehr oder weniger mit dem Training. Es gab einzig das Valrose und den Wettbewerb. Nur so kann man gewinnen.
Wie erlebten Sie das Finale in Bern?
Wir hatten alle so viel investiert, der Druck war sehr hoch. Aber deshalb trainiert man so hart, damit man bereit ist und sich trotz den vielen Emotionen konzentrieren kann. Gabriel Lopez half mir enorm, er war genial, besser als ich. Die Atmosphäre war verrückt.
Erzählen Sie!
Das ganze Team vom Valrose und meine Familie waren da. Und alle dankten mir am Schluss, dass sie so ein Finale hatten erleben dürfen, sie waren gerührt, dass sie diesen Moment mit mir teilen konnten. Das war unbeschreiblich.