«Es ist eine Win-win-Situation für alle Beteiligten.»
Mit «klassengastro» wollen Sie Jugendliche für Lehrberufe in der Gastronomie gewinnen. Wie ist das Projekt entstanden?
Simon Burkhalter: Geboren wurde die Idee an einer Vorstandssitzung im Frühling dieses Jahres. Wir diskutierten darüber, wo wir in den kommenden Monaten Mittel freimachen und sinnvoll einsetzen können – und waren uns schnell einig, dass wir uns in der Nachwuchsförderung engagieren wollen. Der Handlungsbedarf ist akut, wir bekommen es tagtäglich zu spüren.
Erzählen Sie.
Das Nachwuchsproblem treibt unsere Branche nicht erst seit gestern um, aber die Pandemie hat es extrem verschärft. Beispielsweise hatte unser Betrieb, das Restaurant Dampfschiff in Thun, vor der Coronakrise kaum Mühe, Mitarbeitende zu rekrutieren, weil wir uns einen Ruf als guter Arbeitgeber mit vielen langjährigen Angestellten erarbeitet haben. Wir hatten immer gute Resonanz auf unsere Stellenausschreibungen. Jetzt ist die Situation auch bei uns dramatisch: Wir können beim Rekrutieren praktisch nicht mehr wählen, sondern müssen froh sein, wenn sich überhaupt jemand bewirbt. Viele Gastrofachleute haben sich während dem zweiten Lockdown neu orientiert – und auf dem Arbeitsmarkt eine riesige Lücke hinterlassen. Mit dem Projekt «klassengastro» wollen wir das Problem von der Pike auf angehen – also bei den Jugendlichen ansetzen.
Wie gehen Sie dabei vor?
Ziel der Initiative ist es, Schülerinnen und Schülern der Oberstufe, die im Berufswahlprozess sind, die Ausbildungen zum Koch oder zur Köchin respektive zur Restaurationsfachfrau und zum Restaurationsfachmann näherzubringen. Das Projekt beschränkt sich aber nicht darauf, ihnen diese Berufe einfach vorzustellen – es will Jugendlichen die Gastronomie hautnah vermitteln.
Was erwartet die Jugendlichen im Projekt?
Die Schulklasse verbringt einen Arbeitstag in einem Restaurant ihrer Umgebung. Mit Unterstützung der lokalen Crew richten die Jugendlichen selbständig ein Vier-Gang-Menü für geladene Gäste aus, die am Abend zum Dinner eintreffen werden – es sind meist Freunde und Familien der Schülerinnen und Schüler. Im Vorfeld bespricht die Lehrperson mit den Jugendlichen, wer in der Küche und wer im Service mitarbeitet. Die Klasse trifft dann um 14 Uhr im Betrieb ein und erlebt unseren Tagesablauf hautnah: Die Jugendlichen in der Küche fangen an zu produzieren, die im Service falten Servietten, dekorieren die Tische und beginnen mit den Vorbereitungen für den Apéro. Bevor die Gäste eintreffen, essen wir alle zusammen zu Abend. Das ist aus meiner Sicht ein sehr wichtiger Moment.
Warum?
Weil er den Jugendlichen eine der schönsten Seiten der Gastronomie vermittelt: die freundschaftliche Atmosphäre, die in einem guten Betrieb herrscht. Ein Teamgeist, der fröhlich stimmt, man hat es lustig zusammen, ist locker und vom Lernenden bis zum Chef per Du. Das erleichtert Jugendlichen den Zugang, sie erleben sich als Teil eines grösseren Ganzen, und ich denke, das ist eine schöne Erfahrung, die ihre Berufswahlentscheidung beeinflussen kann.
Das Projekt startete im Sommer. Wo steht «klassengastro» aktuell?
Wir haben seither sieben Events in verschiedenen lokalen Betrieben durchgeführt. Das Projekt brauchte etwas Zeit, um ins Rollen zu kommen, auch, weil Schulen sehr weit im Voraus planen. Viele wollen das Projekt beispielsweise im Rahmen einer Projektwoche durchführen. Aber die Sache ist erfreulich angelaufen, es kommen extrem viele Anfragen – sowohl von Schulklassen als auch von Betrieben, die mitmachen wollen. Wir vom Verbandvorstand versuchen, dabei als Vermittler zu agieren.
Welche Kriterien müssen Schulklassen und Betriebe erfüllen, die sich beteiligen wollen?
Das Projekt ist grundsätzlich für alle Betriebe offen. Bei den Schulen haben wir die achten und neunten Klassen im Blick, weil dann die Berufswahl ansteht. Am Anfang richtete sich das Angebot vorwiegend an Realschülerinnen und -schüler, weil wir da die Hauptzielgruppe für Gastronomielernende sehen. Mittlerweile haben wir es auch für Sekundarklassen geöffnet – auf dieser Stufe stösst gerade der Kochberuf durchaus auf Interesse.
Bisher haben sich sieben Klassen beteiligt. Wie ist die Resonanz auf Seiten der Jugendlichen?
Der letzte Event ist gerade eine Woche her. Einmal mehr zeigten die Schülerinnen und Schüler grosse Begeisterung. Sie sind nach dem Tag zwar extrem müde, aber sichtlich stolz und glücklich – auch, weil sie für ihre Leistung viel Anerkennung auf Gästeseite bekommen. Aber für die Betriebe lohnt es sich ebenfalls, mitzumachen: Die Erfahrung zeigt dass die Events im Nu ausgebucht sind – das Restaurant ist dann immer voll.
Gibt es für den Betrieb Vorgaben, wie der Abend zu gestalten ist?
Ja, ein paar wenige. Es soll ein Viergänger sein, und wir empfehlen dafür einen Preisrahmen zwischen 50 und 80 Franken. Natürlich ist das für die meisten Betriebe ein günstigerer Preis als der reguläre. Bei uns im Restaurant war dafür ein Dienstagabend, an dem sonst nicht so viel läuft, komplett ausgebucht, und die Gäste waren – auch wegen des Engagements der Jugendlichen – sehr grosszügig mit Trinkgeld. Wir hatten in der Summe ein deutliches Plus an Einnahmen. Ausserdem sponsert der Verband jede Veranstaltung mit 600 Franken – die eine Hälfte fliesst in die Klassenkasse der Jugendlichen, die andere geht als Beitrag an die Warenkosten an den Betrieb. Ich würde sagen, es ist eine Win-win-Situation für alle Beteiligten. Wir haben genügend Mittel bereitgestellt, um das Projekt in Zukunft weiter ausbauen zu können, auch haben Partner seitens Kanton und Verbände uns ihre finanzielle Unterstützung zugesichert. Das stimmt mich zuversichtlich.