«Wir kochen nach Lust und Laune täglich frisch, was die Saison hergibt.»
Solothurn ist die schöne Unbekannte der Schweiz. Sie vereint Deutsch und Welsch, Barock und Rock. Sie ist die Stadt der Heiligen, Helden, Lehrer, Hochwohlgeborenen und geschwätzigen Rocker. Sie ist eine Oase für Rebellen, Filmemacher, zechende Literaten, Schöngeister, Müssiggänger und Genossenschafter. Kurz: ein Ort für alle, an dem sich die unterschiedlichsten Charaktere bei einem Glas oder zwei Salü sagen und das tun, was sie schon immer taten: essen und trinken. Das kann gar nicht anders sein, hat Solothurn doch eine der grössten Beizendichte der Schweiz, auch wenn hier, wie überall, Beizen schliessen, umfunktioniert oder abgerissen werden. Das Schlimmste, was sich die Stadt diesbezüglich angetan hat, ist zuzulassen, dass aus der Spanischen Weinhalle eine Calida-Pyjama-Boutique wurde. Da hilft nur trinken.
Apropos: Ausgiebig gezecht wird immer im Mai, wenn Solothurn am Meer liegt, sich die Schriftsteller zu den Literaturtagen einfinden und poetisch alles möglich ist. In den Beizen bleibt es sachlich, in der Absinthe-Bar Grüne Fee wirds utopisch. Aber das ist eine andere Geschichte.
Schreiben gibt Durst, Lesen und zuhören auch. Wasser ist gut, Wein ist besser. Es wäre vermessen, Literaten als unverbesserliche Trinker zu bezeichnen, wobei das geistige Getränk zum Schriftsteller gehört wie das Wasser zum Fisch. Gelöscht und diskutiert wird in Solothurn aber nicht nur an seinen berühmten Literatur- oder den nicht minder bekannten Filmtagen im Januar, sondern das ganze Jahr über. Vor allem im Vini. Seit 1983 existiert die Weinhandlung, 1987 kam die Beiz dazu und erfolgte der Wechsel über die Aare von der Löwen- an die Prisongasse. Das Vini ist heute Kult, von allen Schichten stets gut besucht.
Die kleine, stimmungsvolle Beiz eignet sich für ruhige oder lebhafte Momente. An einem Samstagnachmittag hat man den Innenhof und die gute Stube oft für sich allein. Wenn die Stadt in Bewegung und am Fluss oder auf dem Hausberg, dem Weissenstein, ist, sind die rote Gartenbank und der runde Holztisch frei. Dann einen violett schäumenden Lambrusco zu trinken, begleitet von einigen Kleinigkeiten wie Salami, Rohschinken, Mortadella, eingelegtem Gemüse, Käse und Brot von der Holzofenbäckerei Müller: Das ist eine unerreichte Normalität, die euphorisch stimmt.
«Wer es von April bis September lebendiger mag, dem empfehlen wir unseren Vini-Frischluft-Aussenposten an der Aare. Die Hafebar ist ein romantischer Freisitz für laue Abende und entspannte Nachmittage unter Schatten spendenden Bäumen», sagt Linda Flury, die gemeinsam mit Lukas Heutschi, Fabian Vogel, Jean Claude Käser und Rolf Schöb die Geschäftsleitung bildet. Tatsächlich liegen dort gern und oft Lebenskapitäne und Amateur-Philosophen vor Anker – doch zurück an die Prisongasse.