«Man darf sich nicht dazu verleiten lassen, ähnlich tönende Begriffe in einer anderen Sprache zu verwenden.»
Eine Speisekarte kann für grosse Belustigung sorgen. So geschehen zum Beispiel in den Ferien im französischen Nizza. Dort gab es in einem Restaurant als Vorspeise nämlich einen ganz besonderen Salat zu bestellen. Die Zutatenliste auf Französisch lautete: «poulet, maïs, ananas, avocat». In der englischen Übersetzung wurde aus der «avocat», der Avocado, allerdings ein «lawyer» – Sprachexperte Google sei Dank. Bei so viel sprachlichem Verbrechen hätte man tatsächlich am liebsten den Anwalt bestellt.
Eben diesem Wirrwarr auf den Speisekarten haben Marianne und Jean-Pierre Duboux den Kampf angesagt. Seit rund 40 Jahren arbeitet das Thuner Ehepaar leidenschaftlich an seinen mehrsprachigen Fachwörterbüchern, die mittlerweile je über 200 000 Begriffe in Deutsch, Französisch, Englisch, Italienisch, Spanisch, Katalanisch, Portugiesisch, Niederländisch, Rätoromanisch und Latein (vorwiegend für Gemüse, Früchte, Kräuter, Pilze, Fische und so weiter) umfassen. Dazu kommen zahlreiche lexikalische Ergänzungen, die Wissenswertes vermitteln, zum Beispiel über die Geschichte der klassischen Küche. «Eine mehrsprachige Speisekarte kann den Umsatz eines Restaurants um mehr als 50 Prozent seitens fremdsprachiger Gäste steigern», sagt Jean-Pierre Duboux. Das sei ihm von Gastronominnen und Gastronomen bestätigt worden.
Die Bierwurst ohne Bier
Doch gerade beim Übersetzen lauern viele Fallstricke. Deshalb müsse jeder Begriff akribisch recherchiert und hinterfragt werden. Denn: In der gleichen Sprachregion gebe es unterschiedliche Bezeichnungen. So sei der deutsche Käsekuchen kein Kuchen mit Käse beziehungsweise keine Käsewähe wie in der Schweiz, sondern eine Quarktorte. «Viele Begriffe lassen sich nicht übersetzen, sondern höchstens übertragen oder umschreiben», sagt Marianne Duboux. Und führt sogleich weitere Beispiele an: Fleisch werde nicht nur von Land zu Land, sondern von Region zu Region anders ausgeschlachtet. Fische und Krustentiere würden entlang einer Küste praktisch fast von Dorf zu Dorf anders benannt, wenn sie eine leicht andere, dem Untergrund angepasste Farbe haben. Bierwurst wiederum enthält kein Bier, sondern wird zum Bier serviert. Bei der Tomatensauce stelle sich beim Übersetzen in eine romanische Sprache die Frage: Besteht die Sauce aus Tomaten oder handelt es sich um eine Sauce mit Tomaten? Und Lachsschinken sei nicht etwa Schinken vom Lachs, sondern geräuchertes Schweinsrückenfilet.
Beim Übersetzen seien Sorgfalt und Präzision gefragt. «Man darf sich nicht dazu verleiten lassen, ähnlich tönende Begriffe in einer anderen Sprache zu verwenden: Die deutsche Torte etwa wird oft irrtümlicherweise mit ‹tourte› übersetzt, was allerdings als gedeckter Fleischkuchen definiert ist – richtig ist ‹gâteau›», erklärt Marianne Duboux.
Rechtliche Absicherung
«Eine Speisekarte muss klar und verständlich sein», sagt sie weiter. Der Gast wolle wissen, was er bestellt – ohne lange nachfragen zu müssen. Umso erstaunlicher und oft auch ärgerlich sei es, dass viele Gastronomiefachleute ihre Speisekarten selbst zusammenbastelten und sich dabei auf wenig zuverlässige Internetrecherche verliessen. «Köche und Köchinnen sollen gut kochen, müssen aber nicht unbedingt gut und richtig schreiben können», so Jean-Pierre Duboux.
Eine korrekte Karte ist indes nicht nur wichtig, um Missverständnisse zu vermeiden. Sie ist durchaus auch rechtlich relevant. «Nahrungsmitteldeklarationen, Produktbezeichnungen und auch Speisekarten sind einem Vertrag gleichzusetzen», sagt Duboux. Falschangaben könnten Gastronominnen und Gastronomen deshalb in Schwierigkeiten bringen. Der Duboux bietet insofern Sicherheit, als man sich auf das Werk berufen kann, wie sogar der Sprachendienst der EU in Brüssel meint.