«Understatement gehört zu meiner Art.»
Sie lernten erst Konditor, dann Koch. Was gefällt Ihnen besser?
Michael Dober: Der Kochberuf ist vielfältiger; ein Stück weit ist das Handwerk des Konditors da mit drin. In Form von Konfekt, von Desserts. In der Position des Kochs verbinden sich verschiedene Berufe, das mag ich. Und dass man nie ankommt, nie fertig ist. Sobald ich etwas verinnerlicht habe, entdecke ich die nächste Wissenslücke, die ich schliessen möchte.
Welche war das zuletzt?
Ich habe fast täglich das Gefühl, dass die Menschen, mit denen ich zusammenarbeite, in einem Gebiet fundierter unterwegs sind als ich. Oder im Gespräch mit Produzentinnen, mit Produzenten: Es gibt so viel Know-how und Wissen, das ich mir noch aneignen kann. Einen Einblick erhielt ich in meiner Zivildienstzeit auf dem Bungerthof, als ich viel darüber lernte, welche Pflanzen und Pflanzenteile essbar sind. Zum Beispiel die wilde Rübe: Sie ist ein unscheinbares Kraut und echt anstrengend auszubuddeln, hat aber einen mega intensiven Geschmack. Und die Holzigkeit kriegt man mit der richtigen Verarbeitung auch raus. Total spannend! Wenn man eine Weile auf dem Feld mitarbeitet, verändert das den Respekt gegenüber dem Lebensmittel schon.
Müssten Köche und Köchinnen also generell Erfahrung in der Landwirtschaft sammeln?
Nun ja, es gibt unterschiedliche Ansätze, und ich finde es okay, dass nicht alle so arbeiten, wie wir das tun. Aber mit einem Konzept wie dem unseren ist es schon wesentlich, die Seite der Landwirtschaft auch mal gesehen zu haben.
Ein Konzept wie Ihres: Was heisst das für Sie?
Die Schlagwörter sind ausgelutscht: nachhaltig, regional, saisonal. Wir schauen, dass wir alles brauchen: nose to tail, leaf to root. Nur soll das Ganze bei uns nicht einfach nur so dahergesagt sein. Wir versuchen wirklich, diese Grundsätze ehrlich zu leben und mit Produzentinnen und Produzenten zusammenzuarbeiten, die uns inspirieren. Inzwischen haben wir in Winterthur auch ein Publikum, das den Zugang zu unserer Art von Küche gefunden hat. Wir dürfen immer klarer, puristischer und radikaler werden. Ein Fischgarum oder Zanderbottarga hätten wir in unseren Anfangszeiten vermutlich nicht aufgetischt
Ein gutes Beispiel für Ihren konsequenten Fokus auf das Produkt ist die aktuelle Hauptspeisen-Auswahl Ihrer Tavolata: Sellerie in vier Varianten – respektive fünf, wenn man die vegetarische Alternative ebenfalls mitrechnet.
Darauf basiert unser Menü: Wir nehmen uns für die Vorspeise, für die Hauptspeise und fürs Dessert jeweils ein Lebensmittel wie den Sellerie oder ein Thema wie beispielsweise Sommerkräuter oder Hülsenfrüchte vor und kreieren darum herum dann unsere Tavolata-Teller. Ich finde, dass dieses Vorgehen die Arbeit spannend macht – und ausserdem auch etwas einfacher. Es hilft, sich in der Konzeption einzuschränken.