«Eigentlich bin ich eher der Typ, der gern lang an einem Ort bleibt.»
Othmar Schlegel, unter dem Sie als junger Koch im Castello del Sole anheuerten, habe Sie besonders stark geprägt, sagen Sie. Warum gerade er?
Antonino Alampi: Für mich ist Schlegel einer der absolut Besten: Ich lernte so viel von ihm, auf allen Ebenen, beruflich wie menschlich. Das Castello war meine erste Station auf diesem Niveau. Ein Fünf-Sterne-Haus mit einer 16- oder 17-Punkte-Küche. Ich dachte, ich kehre zurück ins Tessin in meine Heimat. Tatsächlich war ich in der Küche aber der Einzige, der italienisch sprach. Ich startete als Commis Entremetier. Am dritten Tag kam Schlegel zu mir und fand: Antonino, einen Teller Pasta musst künftig du machen und deinem Chef zeigen, wie das richtig geht – auch wenn du Commis bleibst. In meiner zweiten Saison machte er mich zum Chef Entremetier.
Danach wechselten Sie nach Küsnacht, zu Edgar Bovier ins Ermitage. Wie war er als Chef?
Schlegel und Bovier sind beide hervorragende Küchenchefs: Sie gehören zur alten Schule, denken aber modern. Mein Start im Ermitage war eine lustige Geschichte.
Inwiefern?
Meine Mutter erhielt damals den Rückruf, mit dem ich vom Ermitage zum Vorstellungsgespräch aufgeboten wurde. Nur: Sie verstand ja kaum Deutsch oder Französisch. Das Einzige, was sie mitbekam, war der Tag, an dem ich dort auftauchen sollte. Ich fragte: Aber Mamma, um welche Zeit? Sie war nicht sicher. Vielleicht elf Uhr? Also war ich dann da. Der Termin wäre um neun oder zehn Uhr gewesen. Schrecklich! Ich kam da also rein, entschuldigte mich. Bovier fand, das sei kein Problem. Er könne mich in der Küche momentan allerdings nicht anstellen, ich solle mich doch in drei oder vier Monaten wieder melden. Am Ende kümmerte er sich sogar persönlich um eine Zwischenlösung für mich und schickte mich ins Gütsch nach Luzern, bevor ich bei ihm anfangen konnte. Bei Bovier blieb ich fast vier Jahre. Ich lernte das Handwerk von A bis Z. Enten rupfen, Lämmer zerlegen. Es war sehr streng, mit langen Arbeitszeiten für damals 3000 Franken brutto. Aber es war auch eine fantastische, lehrreiche Zeit.
Ihr Werdegang ist gespickt mit Stationen. Warum wechselten Sie so oft?
Am Anfang der Karriere gehts als Koch doch darum, viel kennen zu lernen, auszuprobieren und den Rucksack mit Erfahrungen zu füllen. Damals zog ich weiter, weil ich das so wollte. Aber eigentlich bin ich eher der Typ, der gern lang an einem Ort bleibt. Im Wolfbach in Zürich war ich sechs Jahre. Im Il Casale in Wetzikon blieb ich vier Jahre – bis die Inhaber plötzlich entschieden, ein neues Konzept fahren zu wollen. Und auch im Gustav waren es die Besitzer, die beschlossen, das Lokal zuzumachen, obwohl wir gut gearbeitet hatten. Wirklich sehr schade.
Ein positiver Effekt dürfte sein, dass Sie inzwischen genau wissen, was ein Betrieb braucht, damit er zu Ihnen passt.
Das stimmt. Nach bald 30 Jahren in der Küche brauche ich gewisse Freiheiten und schätze das Vertrauen der Besitzer. Kann ich meine Kreativität nicht ausleben, macht es mir keinen Spass. Und dann ist es einfach wichtig, die richtigen Leute zu finden: Man braucht ein Team und einen Chef, die zu einem passen. Schliesslich ist man viele Stunden am Tag zusammen und verbringt mehr Zeit gemeinsam als mit der eigenen Frau.
An der Seite von Antonio Colaianni stehen Sie seit bald fünf Jahren. Von aussen wirkt es allerdings so, als seien Sie seit einer Ewigkeit ein Gespann.
Tatsächlich kennen wir uns schon länger. Das erste Mal traf ich Antonio, als ich mit einem Freund bei ihm im Schloss Rapperswil ass. Danach trafen wir uns im Ausgang in Zürich, es entwickelte sich eine freundschaftliche Beziehung. Aber zusammengearbeitet haben wir erstmals im Gustav. Das war ein Wagnis: Ich kannte Antonio privat, aber nicht in der Küche.
Und?
Es funktionierte gut. Antonio war früher in der Küche eher dominant, aber er ist ruhiger geworden. Es hat für beide Platz. Ich war im Gustav und bin im Ornellaia der Küchenchef, aber es war klar, dass auch Antonio in die Küche muss. Im Gustav hätten wir es von der Grösse des Betriebs her gar nicht ohne ihn geschafft. Heute ist Antonio im Ornellaia der Geschäftsführer, aber auch ein Küchenchef. Das ist kein Problem, wir verstehen uns bestens.
Sie ergänzen sich?
Genau. Den Job, den Antonio macht, kann und möchte ich nicht übernehmen: das Administrative und Organisatorische. Darin ist er sehr stark und erfahren. Ich bin eher der manuelle Typ, der Handwerker. Ich wirke lieber im Hintergrund und stehe in der Küche. Über eine Auszeichnung von Michelin oder Gault & Millau freue ich mich natürlich riesig, aber das Rampenlicht reizt mich nicht.