«Inzwischen glaube ich, dass wir auch hier tun können, was wir wollen.»
Sie haben Ihre beruflichen Stationen vor der Selbstständigkeit ziemlich zielgerichtet ausgewählt. Sind Sie ein Planungsmensch?
Dominik Hartmann: Das würde ich so nicht sagen. Aber meine Karriere kommt tatsächlich recht strukturiert daher. Ich hatte einfach einen Traum, auf den ich hinarbeitete. Marco Appert und ich kennen uns seit der Primarschule und wollten schon immer ein Restaurant zusammen eröffnen. Wir machten nicht nur die Kochlehre gleichzeitig, sondern auch die Zusatzlehre zum Confiseur / Konditor. Dann ging er an die Hotelfachschule in Luzern und ich sammelte bei Andreas Caminada auf Schloss Schauenstein meine Erfahrungen. Dabei wussten wir stets: Eines Tages führen wir ein Restaurant. Als dieser Plan gemeinsam mit meiner Frau Adriana konkreter wurde, war mir klar, dass ich in der warmen Küche mehr Routine brauche – deshalb ging ich nach Zürich zu Fabian Fuchs ins Equitable. Und als es hier im Magdalena schliesslich losgehen sollte, kam der erste Lockdown.
Ein ungünstiger Moment für den Start – wobei es dann doch fulminant losging. Sie erhielten auf Anhieb zwei Sterne.
Verrückt, ja! Wir hatten eigentlich die Vorstellung, uns so in fünf Jahren einen Stern und 16 Punkte zu erarbeiten. Der Plan ging im positiven Sinn nicht auf. Ich sehe das aber locker und sage mir: So wie wir es anfangs machten, erhielten wir zwei Sterne – also versuchen wir jetzt nicht, uns gross zu verändern. Wobei wir natürlich immer besser werden wollen.
Ihre Küche sei im Vergleich zum Anfang komplexer, also reduzierter geworden, sagen Sie. Wie meinen Sie das?
Wir betreiben im Hinblick auf den Geschmack mehr Aufwand: Wir fermentieren viel, setzen jede Sauce zweimal an und so weiter. Auf dem Teller hingegen versuchen wir, weniger zu machen. Purer, cleaner zu sein. Nicht noch da ein Pünktchen und dort eins.
Wie einfach ist es denn, nach zwei Jahren bei Andreas Caminada eine eigene Handschrift zu entwickeln?
Das ist relativ schwer. Die Zeit bei Andreas prägt einen, er ist eine grosse Inspiration. Man sieht jeden Tag, was er macht – und findet das schon cool.
Was zeichnet denn nun aber Ihre eigenen Gerichte aus?
Der Fokus aufs Gemüse auch in den Hauptgängen. Er hat uns von Anfang an bekannt gemacht. Ich finde es einfach spannender, mit Gemüse einen Hauptgang zu kreieren als mit Fleisch. Es ist allerdings auch aufwendiger. Manchmal fragen uns Gäste, warum ein Gemüse-Gericht so viel kostet, dann erklären wir es: Da steckt in der Regel mehr Arbeit drin als in einem Gang mit einem Stück Fleisch.
Und warum verzichten Sie nicht gleich ganz darauf?
Anfangs hatten wir Bedenken, hielten ein rein vegetarisches Restaurant in der Region für zu mutig. In Zürich hätte sich die Frage nicht gestellt, aber in Rickenbach… Inzwischen glaube ich, dass wir auch hier tun können, was wir wollen. Und dazu gehört manchmal auch Fleisch. Wir haben zudem einen Fisch-Gang, den ich persönlich sehr mag – auch weil wir mit den Brüggli-Forellen vom Sattel zum Beispiel sehr regional sein können. Wir knüpfen zunehmend Kontakte zu Produzenten rundherum. Zum Beispiel zum Biobauern gleich auf der anderen Strassenseite: Zu Beginn konnten wir bei ihm kein Gemüse beziehen, weil er alles bei Privatkunden absetzte. Inzwischen pflegen wir eine Zusammenarbeit und können den Gästen auch mal sagen: Der Fenchel da auf dem Teller wuchs gleich dort drüben und wurde von uns zu Fuss abgeholt. Näher gehts kaum.Sie träumten stets vom eigenen Restaurant.
Ist es denn heute so, wie Sie sich das vorgestellt haben?
Durchaus. Ich war realistisch genug, um zu wissen, dass es streng wird. Aber vorher arbeitete ich auf dem Schloss und im Equitable: Viele Stunden in der Küche sind da völlig normal. Und was den Druck angeht, der mit der Selbstständigkeit hinzukommt: Wir sind ein wirklich gutes Team und die Verantwortung lastet auf den Schultern von uns allen. Wenn wir am Morgen ins Res-taurant kommen, wissen wir, was zu tun ist und dass das Essen am Abend gut rausgeht. Dieses Selbstvertrauen pflegen wir hier: Jeder kann es. Verglichen mit dem Start haben wir personell zudem recht aufgestockt: Heute stehen wir nicht mehr zu dritt, sondern zu sechst in der Küche.
Was muss für Sie unbedingt stimmen, damit Sie mit Leuten zusammenarbeiten können?
In erster Linie das Zwischenmenschliche: Dass ich jemanden cool und spannend finde und Lust habe, mit ihm zusammen auch mal einen Kaffee zu trinken. Erfahrung ist natürlich auch wichtig, aber die kann man aufbauen – und wir sind ja alle noch sehr jung, maximal 30.
Würde Ihrer Crew jemand Älteres guttun?
Nicht unbedingt, denke ich. Unser Team lebt ein Stück weit davon, dass wir alle jung und motiviert sind. Das überträgt sich auf die Stimmung im Restaurant: Es geht hier nicht steif zu und her. Wir arbeiten locker – wenn auch durchaus hart und professionell.