«Die Frage ist, wo und wie die Jungen Käse konsumieren.»
Seit Ende Juni wirken Sie als Direktor der Sortenorganisation Emmentaler Switzerland. Was haben Sie sich vorgenommen?
Urs Schlüchter: Mein Ziel ist es, die schöne Marke Emmentaler AOP, einer der stärksten Brands der Schweiz, einen Schritt weiterzubringen. Wir wollen unser Produkt wieder stärker ans Volk herantragen und dabei insbesondere eine Kundschaft ansteuern, die heute keinen Bezug mehr zu Emmentaler AOP im Speziellen oder zu Käse im Allgemeinen hat.
An wen denken Sie da?
Ich rede von jüngeren Konsumentinnen und Konsumenten, die zwischen 20 und 40 Jahre alt sind, den sogenannten Millennials. Das Kundensegment von Emmentaler AOP ist aktuell eher ein älteres. Das sagen uns diverse Marktstudien, man sieht es aber auch, wenn man in einem Käseladen steht und den Kundinnen und Kunden zuschaut.
Dabei ist der Käsekonsum doch insgesamt eher zunehmend.
Das stimmt, aber er verlagert sich vom Hartkäse in den Halbhart- und Frischkäsebereich. Auf der anderen Seite steht Emmentaler AOP für viele Werte, die heute im Trend liegen. Er wird seit über 100 Jahren regional in Dorf- oder Alpkäsereien handwerklich hergestellt, ist laktosefrei, und auch dem Tierwohl wird grosse Sorge getragen.
Wie wollen Sie die Jungen davon überzeugen, Emmentaler zu konsumieren?
Indem wir herausfinden, wo sich diese Kundengruppe bewegt und an welchen Orten wir sie erreichen können. Emmentaler AOP muss zu den Konsumentinnen und Konsumenten, nicht umgekehrt. Die Frage ist, wo und wie die Jungen Käse konsumieren. Früher war er ein fester Bestandteil des Frühstücks. In der heutigen Arbeitswelt existiert das Frühstück unter der Woche fast gar nicht mehr. Wir müssen unsere Werte stärker kommunizieren, für den Emmentaler AOP neue Konsumformen finden und zum Beispiel auch in Tankstellenshops oder To-go-Betrieben präsent sein.
Welche Sorte ist bei den Kundinnen und Kunden am populärsten?
Es existieren neun verschiedene Reifegrade, von ganz jungen bis hin zu drei Jahren gereiften Emmentaler. Nach wie vor mit Abstand am besten verkauft sich indes der milde Emmentaler.
Wie schlägt sich Emmentaler Ihrer Ansicht nach in der Gastronomie?
Da ist er sicher präsent, die Frage ist, ob das die Leute auch so wahrnehmen. Es ist eine hohe Kunst, seine Marke in der Gastronomie bis an die Front zu den Gästen transportieren zu können. Ein gutes Beispiel dafür ist Mövenpick Ice cream. So etwas wünsche ich mir natürlich für den Emmentaler AOP, sehe aber auch, dass es dorthin ein weiter Weg ist.
Mit anderen Worten: Ihr Fokus liegt derzeit auf den Millennials.
Ich habe viele Ideen, kann aber nicht überall etwas anreissen. Zudem sind wir eine Sortenorganisation und müssen neutral auftreten. Ich werde nie ein Kilo Emmentaler AOP verkaufen. Das ist Aufgabe der Händlerinnen und Händler. Aber insbesondere in der Gemeinschaftsgastronomie sehe ich für uns ein grosses Potenzial. Betriebe wie die SV-Group oder der ZFV spielen von der Kantine bis zum Hotel auf der ganzen Klaviatur. Für innovative Konzepte bieten wir interessierten Betrieben jederzeit Hand, meine Tür ist offen.
Ihre Marke ist im Ausland schlechter geschützt als andere Schweizer Käsesorten.
Das ist historisch gewachsen. Während Wirtschaftskrisen wanderten Käserinnen und Käser immer wieder ins Ausland und nahmen ihr Wissen mit. Tatsache ist, dass Emmentaler auch ausserhalb der Schweiz produziert werden darf. Allerdings kämpfen wir dafür, dass auf jedem Emmentaler, der im Ausland produziert wird, das Produktionsland immer in gleicher Schriftgrösse auf der Front der Verpackung angegeben sein muss.
Zwei Drittel des Emmentaler AOP wird exportiert. Wie ist da die Lage?
Unser Hauptabsatzmarkt ist Italien, gefolgt von Deutschland, dem restlichen Europa und den USA. Auch wir spüren die durch die geopolitische Lage verursachte Unsicherheit. Die Menschen sparen, in Deutschland merken wir das extrem. Ein handwerklich gefertigter Emmentaler AOP hat gegen einen industriell gefertigten Emmentaler beispielsweise aus dem Allgäu preislich keine Chance. Der italienische Markt ist indes erstaunlich stabil. Wir verkaufen dort Stand Ende August mehr als letztes Jahr, wider Erwarten. Ich vermute, dass Lebensmittel in Italien einen höheren Stellenwert haben als in Deutschland.