«Es tut mir im Herzen weh, wenn ich höre, dass jemand mit meinem Haselnussöl Steaks anbrät.»
Die Frage, ob der Konsum von kaltgepresstem Pflanzenöl gesund ist, bleibt einem beim Anblick von Simon Müller irgendwie im Hals stecken. Der 37-jährige Ölmüller wirkt geradezu unverschämt vital. Seit acht Jahren tüftelt der Luzerner in Basel an verschiedenen Ölen, seit einem Jahr betreibt er im Gundeliquartier eine eigene Manufaktur mit angehängtem Café (Finkmüller). In seine drei Schneckenpressen kommen nur Samen und Nüsse aus biologischem Anbau, zum Beispiel rosarote Himbeersamen, Aprikosen- oder Hagebuttenkerne.
«Öl schützt den Keim des Samens, seine Aufgabe ist es, Leben zu geben», erklärt Müller. Öl sei eine Metamorphose von Licht und Wasser, fast schon von alchimistischer Natur. Und die Möglichkeiten, das kostbare Gut zu gewinnen, sind schier grenzenlos. Neben den bekannten Saaten wie Raps, Hanf, Leindotter oder Sonnenblume tüftelt Müller auch mit Basilikum-, Brokkoli- oder Rüeblisamen. «Gerade für Köche, die sich mit Spagirik beschäftigen, die also Lebensmittel trennen und auf kreative Weise neu zusammenführen wollen, sind solche Öle interessant», so Müller, der auch Zwei-Sterne-Köchin Tanja Grandits zu seinen Kunden zählt.
Mindestens einmal pro Woche produzieren Müllers wassergekühlten Schneckenpressen bei einer Temperatur von zirka 30 Grad Celsius frisches Öl. «Es gibt einen Unterschied zwischen gekühlt gepresst und kalt gepresst, wie wir das hier machen.» Je tiefer die Temperatur, desto geringer gerät die Ausbeute und desto besser wird die Qualität, so Müller. Doch was zeichnet gutes, kalt gepresstes Öl eigentlich aus? «Es muss frisch sein und sollte gut schmecken, das Aroma der Pflanze oder der Nuss wiedergeben.»
Diesen Aromen ist auch Cédric Wüthrich von der Ölmühle Bern auf der Spur. «Ich will immer wissen, wie eine bestimmte Sorte schmeckt. Dafür pröbeln wir viel, etwa mit verschiedenen Mandeln», so Wüthrich. Sein neuster Wurf sind nicht weniger als elf sortenreine Bio-Traubenkern-Öle, zum Beispiel gepresst aus den getrockneten Kernen einer Walliser Chasselas- oder einer Berner Charmontraube. Der Aufwand für solche Öle ist enorm (der Trester eines Hektars ergibt etwa zehn Liter Öl), das Resultat für kreative Köche dafür sehr interessant.
Heimische Pflanzenöle gelten als gesund, bisweilen als wahre Wundermittel. Entscheidend ist die Fettsäurestruktur, also das Verhältnis zwischen gesättigten, einfach gesättigten Fettsäuren sowie den mehrfach ungesättigten Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren. Leinöl zum Beispiel strotzt nur so vor dem seltenen Omega-6. Über eine speziell ausgewogene Fettsäurestruktur verfügen Hanf- und Walnussöl, Rapsöl wiederum gilt aufgrund seiner Zusammensetzung als das bessere Olivenöl.
Auf Diskussionen, was nun gesund sei und was nicht, lässt sich Simon Müller nicht (mehr) ein. «Es gibt dazu viele Theorien, ich halte mich da lieber raus.» Wichtig ist, dass man kalt gepresste Öle mit Freude konsumiert. Und sie sollten nicht erhitzt werden, stellt er klar. «Es tut mir im Herzen weh, wenn ich höre, dass jemand mit meinem Haselnussöl Steaks anbrät.» Auf die Frage, mit welchem Fett er selbst seine Spiegeleier zubereite, entgegnet Müller im ersten Moment nichts, dann sagt er: «Ich brate einfach sehr wenig.»