31.08.2021 Salz & Pfeffer 4/2021

Minutiöse Planung

Text: Tobias Hüberli – Fotos: Njazi Nivokazi
Der Kochwettbewerb Bocuse d’Or spielt in einer eigenen Liga. Der Schweizer Finalist Ale Mordasini weiss, was es braucht, um zu gewinnen.
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«Perfekt gekochte Gerichte reichen schlicht nicht aus.»

Gut gelaunt empfängt uns Ale Mordasini im Dielsdorfer Industriegebiet vor einer unscheinbaren Garage. Darin steht ein originalgetreuer Nachbau der Kücheninfrastruktur, die er Ende September am Weltfinale des Bocuse d’Or in Lyon antreffen wird. Seit 18 Monaten tüfteln Mordasini und sein Commis Manuel Hofer hier an ihrem Programm, feilen an den einzelnen Komponenten, immer und immer wieder. «Es gibt einige schwierige Kochwettbewerbe, aber der Bocuse d’Or spielt in einer eigenen Liga», sagt Mordasini. Übertragen aufs Tennis sei er vergleichbar mit Wimbledon, Spitzensport auf jeden Fall.

An der Wand der Garage, gegenüber der Küche, hängen, sorgsam eingerahmt und ausgerichtet, Mordasinis bisherige Wettkampferfolge. Da wäre zum Beispiel das Diplom für den Gewinn der Weltmeisterschaft mit der Junioren-Nationalmannschaft 2014 in Luxemburg. Oder die Bronze-Medaille für den dritten Platz, erkämpft als Teil des Nationalteams zwei Jahre später an der Olympiade der Köche in Erfurt. Bei Lichte betrachtet, befindet sich Mordasini seit 2013 fast durchwegs im Wettkampfmodus. Anfang 2019 gewann er in Bern den Goldenen Koch und qualifizierte sich damit automatisch für das Europafinale des Bocuse d’Or, das im Oktober 2020 in der estnischen Hauptstadt Tallinn über die Bühne ging.

Dort dominierten Köche aus dem Norden: Das Duo aus Norwegen triumphierte vor jenem aus Dänemark und Schweden. Das kommt nicht von ungefähr. «In diesen Ländern bereiten sich die Teams seit Jahren intensiv auf den Wettbewerb vor, darum sind sie dermassen erfolgreich», erklärt Mordasini. In der Schweiz legte sein Vorgänger Mario Garcia die ersten Strukturen für eine professionelle Vorbereitung. Die Trainingsküche ist dabei nur ein Mosaikstein. Neben zwei Coaches kann Mordasini unter anderen auf einen Mentaltrainer, einen Designer sowie einen Social-Media-Crack zurückgreifen.

Doch was braucht es eigentlich, um den Bocuse d’Or zu gewinnen? «Seit Tallinn wissen wir: Perfekt gekochte Gerichte reichen schlicht nicht aus», sagt Mordasini. Die Teller und der Geschmack seien zwar wichtig, aber trotzdem nur ein kleiner Teil des Ganzen. «Es geht darum, das Publikum mitzureissen, eine choreografierte Show mit rotem Faden und überraschenden Elementen abzuliefern.»

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Die Vorbereitung fürs Finale geht denn auch weit über das Kochen hinaus. So entwickelte Mordasini etwa ein multifunktionales Schneidebrett, in dem sich sämtliche Messer verpacken lassen. Damit der Zeitplan nicht durcheinandergerät, liess er eine spezielle Timer-App programmieren, und auch der 3D-Drucker kommt häufig zum Einsatz, etwa um einzigartige Silikonformen herzustellen. «Es wird durchaus erwartet, dass die Finalisten Neues präsentieren», so Mordasini. Insofern sei der Bocuse d’Or auch eine Art Versuchslabor für Techniken und Methoden, die anschliessend den Weg in die (Spitzen-)Restauration finden.

Es ist fast schon beängstigend, mit welcher Konsequenz Mordasini und Hofer die Sache angehen. Das Programm – eine Take-away-Box mit Vorspeise, Hauptgang und Dessert sowie eine Platte, beides für 14 Personen – haben sie hunderte Male durchgekocht. «Nach 350 Versuchen können wir die Selleriecrème geschmacklich gar nicht mehr objektiv beurteilen, dafür holen wir Hilfe von aussen», sagt Mordasini. Letztlich gehe es darum, so viele Fehlerquellen wie möglich auszumerzen und nichts dem Zufall zu überlassen. Und so wundert sich kaum mehr einer darüber, dass Mordasini zurzeit versucht, die Blumen für die Dekoration so zu züchten, dass sie am Finaltag perfekt sind. «Schöne Kornblumen oder Schnittlauchblüten bekommt man im September nur noch schwer.»

Die 2007 gegründete Académie Suisse Bocuse d’Or finanziert unterschiedliche Projekte, wobei die Vorbereitung des Teams für das Finale des Bocuse d’Or im Vordergrund steht. «Ohne Sponsoren geht es nicht», weiss Mordasini, der neben dem Training weiterhin als Küchenchef im Hotel Krone in Regensberg arbeitet. Auf welchem Rang er das Finale abschliesse, stehe gar nicht so sehr im Vordergrund. «Wir wollen einen Schritt weiterkommen, uns der Spitze so weit wie möglich annähern.»

Vergangenen Sommer wurde Mordasini von der Organisation Kulinarische Meriten Schweiz für sein Engagement ausgezeichnet. «Unser Ziel ist es, das Bewusstsein für den Wettbewerb hierzulande auf mehr als nur ein paar 100 Profis auszuweiten», sagt er. Und dafür sei diese politische Anerkennung wichtig. Hilfreich wäre auch eine stärkere finanzielle Unterstützung. «Im Sport ist das ja gang und gäbe, dabei sind die Schweizer Köche öfter Weltmeister geworden als die Fussballer.»

Am 26. und 27. September findet in Lyon das Weltfinale des Kochwettbewerbs Bocuse d’Or statt. Dank eines achten Platzes am Europafinale 2020 im estnischen Tallinn sind Ale Mordasini und sein Commis Manuel Hofer dafür qualifiziert. Total treten Teams aus 23 Nationen gegeneinander an. Hergestellt werden müssen für jeweils 14 Personen eine Take-away-Box mit Vorspeise, Hauptgang und Dessert sowie eine Platte.
bocusedor.com