«Weil man alles steuert, kann man mit der Aeropress die grösste Vielfalt an Aromen in einem Kaffee zeigen.»
Für einmal ist es keine fast vergessene, urtraditionelle Methode, der man neues Leben eingehaucht hat. Nein, die Aeropress ist ein junges Ding, etwas über zehn Jahre alt: 2005 meldete der US-amerikanische Ingenieur Alan Adler, der sich zuvor mit der Erfindung eines Frisbees einen Namen gemacht hatte, das System zur Zubereitung von Filterkaffee zum Patent an. Bei der Aeropress handelt es sich um ein so simples wie multifunktionales Konstrukt, bestehend aus Brühzylinder, Presskolben und Filter. Von anderen Methoden unterscheidet sie sich hauptsächlich in einem Punkt: Während herkömmliche Filtersysteme auf «Drip» («Tröpfeln») oder Immersion (Wasser und Kaffee bleiben während des Brühens in Verbindung) basieren, kann der Barista an der Aeropress zusätzlich mit Druck arbeiten. Kaffeepulver und Wasser werden im Zylinder vermischt und mit dem Kolben durch den Filter gestossen. Felix Hohlmann, amtierender Schweizer Meister an der Aeropress, schwärmt von einer weiteren Eigenheit der Methode: Der Barista bestimmt und kontrolliert alle relevanten Faktoren bei der Zubereitung selbst – vom Mahlgrad des Pulvers über die Wassertemperatur bis hin zur Brühzeit. Das gibt Spielraum: «Weil man alles steuert, kann man mit der Aeropress die grösste Vielfalt an Aromen in einem Kaffee zeigen», sagt er. Dabei gibt es viele Wege, die zum Ziel führen. Wir lassen uns das System vom Meister erklären: Schritt für Schritt, in einer Standardvariante – ohne Anspruch auf Vollständigkeit, dafür aber mit der einen oder anderen Randbemerkung.
1) Mahlen
Punkt eins ist entscheidend: Die Bohnen werden frisch gemahlen, weil 60 Prozent des Aromas in den ersten 15 Minuten verlorengehen. Der Mahlgrad definiert die sensorische Wahrnehmung: Ist der Kaffee zu fein gemahlen, wird er bitter, ist das Pulver zu grob, schmeckt er zu wenig aromatisch und intensiv. Zur Einordnung zieht Hohlmann den Vergleich zu Texturen, die wir aus dem Alltag kennen: «grobes Meersalz», «Kristallzucker» oder «Mehl». Für uns mahlt er exakt 15 Gramm kolumbianische Arabica-Bohnen, die auch an der Weltmeisterschaft zum Einsatz kamen.
2) Wasser erhitzen
(a) Die Wasserqualität ist unter Baristas ein rege diskutiertes Thema. Ideal gilt Wasser mit drei bis acht dH Gesamthärte und einer Alkalinität von zwei bis fünf. Was aus dem Hahn kommt, enthält in der Regel zu viel Mineralien, Profis schwören beim Brauen von Filterkaffee auf die Marke Volvic. Hohlmann verwendet für uns simpel gefiltertes Hahnenburger.
(b) Spielraum bietet die Aeropress bei der Wassertemperatur. Hohlmann erhitzt das Wasser auf 94 Grad Celsius – eine allgemeingültig gute Temperatur, wie er sagt: «Wenn ich den Kaffee aufgiesse, ist das Wasser noch 93 Grad heiss.» Generell gilt: Die richtige Temperatur hängt vom Röstgrad der Bohnen ab. Für relativ hell geröstete Kaffees empfiehlt der Barista eine höhere Temperatur: Weil das Grundprodukt schon viel Fruchtsäure enthält und diese nicht mehr durch eine tiefe Temperatur unterstützt werden muss, dürfen es auch mal 97 Grad sein. Einen Wasserkocher mit Temperaturanzeige braucht es übrigens nicht: «Es funktioniert auch mit einem herkömmlichen Wasserkocher und einem Fleischthermometer.»
3) Filter wählen
Die Wahl des Filters ist eine Wissenschaft für sich – wobei der Einfluss auf den Kaffee zwar unumstritten, aber noch kaum erforscht ist. Hohlmann verwendet einen Papierfilter, dessen Eigengeschmack er auswäscht, bevor er ihn in die Aeropress legt. Die Auswahl an Materialien (Papier, Metall, Kunststoff und mehr) und Dichten (netzartig, gitterartig et cetera) ist gross. Je engmaschiger der Filter, umso weniger Öle und Sedimente können passieren. Gelangen die feinen Partikel in den Kaffee, extrahieren sie weiter und werden im Laufe der Zeit bitter. Die Wahl des Filters bestimmt also auch den Mahlgrad (oder umgekehrt): Je dichter der Filter, umso feiner kann der Barista die Bohnen mahlen.