Es gibt uns ein gutes Gefühl, wenn der Metzger an der Fleischtheke Handschuhe trägt. Sauberkeit ist schliesslich das A und O, wo Lebensmittel ins Spiel kommen. Und: «Die Hände sind Kontaminationsquelle Nummer eins, wenn es um Verunreinigung durch Mikroorganismen bei Lebensmitteln geht», weiss Anton Pfefferle, Vizedirektor und Leiter Ausbildung an der Hotelfachschule Belvoirpark. Über die Hände würden Mikroorganismen aus dem Darm, von der Kopfhaut, des Nasen-Rachenraumes und von schmutzigen Gegenständen wie etwa ungewaschenem Gemüse verbreitet. Um auf Nummer sicher zu gehen, nehmen sich darum viele Gastronomen ein Beispiel an der Lebensmittelindustrie: Sie setzen auf Einmalhandschuhe. Das ist hygienischer – oder?
Der Profi kann das nicht bestätigen. «Die Erfahrungen zeigen, dass Handschuhe nicht häufig genug gewechselt werden», sagt Pfefferle. Auch gehe nach dem Tragen das Händewaschen oft vergessen, was dazu führe, dass Bakterien, die sich im feuchten Milieu zwischen schwitzender Haut und Handschuh gebildet hätten, auf Lebensmittel übertragen würden: «Damit stellen Handschuhe ein grösseres Verunreinigungsrisiko dar als richtig und regelmässig gewaschene Hände.» Handschuhe könnten die Händehygiene niemals ersetzen, sondern lediglich unterstützen. Nötig seien sie bei unfall- oder krankheitsbedingten Verletzungen an den Händen, für alles Übrige rät Pfefferle, ihren Einsatz auf kurze Arbeitsvorgänge mit heiklen Lebensmitteln zu beschränken. Dazu zählt er, was mit Verzögerung zum Gast gelangt: Salate, Desserts oder kalte Speisen für Buffets etwa oder Gerichte, die vorproduziert und erst Stunden später aufbereitet werden. Hier empfiehlt der Profi Einmalhandschuhe fürs Mischen, Anrichten, Portionieren und Verpacken. Die Angewohnheit vieler Köche, im Umgang mit rohem Fleisch – insbesondere Poulet – auf Handschuhe zu setzen, hält Pfefferle nicht für zweckdienlich: «Es bringt nicht viel, weil Mikroorganismen auf sämtliche Gegenstände übergehen, die mit dem Fleisch in Berührung kommen: Schneidbrett, Ablage, Messer. Hier hilft nur die gründliche Reinigung von Händen und Material.»
Die Sache mit der Händehygiene sei ein zweischneidiges Schwert, sagt auch Carola Wolf, Lebensmittelchemikerin und Geschäftsführerin von Carolite Consulting, einem Beratungsunternehmen im Bereich Lebensmittelsicherheit: «Die Verwendung von Einmalhandschuhen ist bei einer konstanten, sich wiederholenden Tätigkeit mit derselben Produktegruppe sinnvoll. Sobald ein Produktwechsel stattfindet, wie es in der Restaurantküche häufig der Fall ist, wird es komplex – dann müssten theoretisch jedes Mal die Handschuhe gewechselt werden.» Das sei in der Praxis kaum praktikabel. «Wir wiegen uns gern in falscher Sicherheit, was Hygiene betrifft», sagt Wolf, «wenn wir Handschuhe tragen, bemerken wir häufig nicht, dass wir mit ein und demselben Exemplar bereits mehrere Dinge angefasst haben.»
«Pseudohygiene», sagt Fachdozent Pfefferle dazu. Allzu oft, bemängelt er, sei der Handschuh eine Alibiübung; dann nicht nur nutzlos, sondern auch schädlich. Das weiss auch Manuela Stockmeyer von der SV Group. Nichtsdestotrotz seien Handschuhe aus Sicht des Gastes Symbol für sauberes Arbeiten. Das Branchengewicht der Gemeinschaftsverpflegung rät seinen Köchen deshalb, sie dort anzuziehen, wo der Gast Einblick hat, etwa beim Front-Cooking. «Generell empfehlen wir das Tragen von Handschuhen aber nur für kurze Arbeitsschritte, etwa zum Marinieren von Fleisch oder für die Zubereitung von Speisen, die danach nicht mehr erhitzt werden», sagt Stockmeyer. Auch im Umgang mit geruchsintensiven oder abfärbenden Lebensmitteln sei es ratsam. Schliesslich, sagt Stockmeyer, dienten Handschuhe nicht nur dem Schutz des Produktes, sondern auch der Haut.